Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
dafür einen Schuss.
Heinzjürgen Schulze zuckt getroffen zusammen, fällt zu Boden, rollt sich, gut von der ersten Reihe des Weingartens aus zu sehen, hinter das Planschbecken und will das Feuer erwidern. Nur ist Gustav Eichner da längst schon bei Angela Sahlbruckner, packt sie grob an den Haaren und schiebt sie vor sich.
»Ein Polizist also, na wunderbar!«, brüllt er mit unverblümtem Hohn: »Da war aber hörbar bei der Anreise ein Grenzstein dazwischen. Wie bei den anderen. Sind Sie auf Betriebsausflug im Nachbarland?«
Langsam geht Gustav Eichner, Angela wie ein Schutzschild an sich pressend, rückwärts zu ihrem Wagen und setzt amüsiert fort: »Na, da ham Sie Wiffzack sich ja eine Spitzendeckung ausgesucht, da hinter dem Planschbecken!«
Erneut drückt er ab, ein Zischen erfüllt die Nacht, und er setzt fort: »Aber Mumm ham Sie, das muss ich Ihnen sagen, und Glück, denn offenbar dürften wir Sie übersehen haben! Nur ist Mumm ohne Hirn wie ein Frontalzusammenstoß ohne Airbag. Also: Wo ist der andere?«
»Sie haben keine Chance, Eichner, Sie sind umstellt, lassen Sie die Waffe fallen!«, versucht sich Heinzjürgen Schulze und erntet Gelächter.
»Wie lächerlich: Umstellt! Ja, von ein paar Gartenzwergen!« Dann zeigt auch Eichner seine Treffsicherheit und erleichtert eines der Exemplare um seine Laterne, feuert ziellos in die Weingärten und richtet im Anschluss seine Waffe auf den, nun hinter dem immer kleiner werdenden Planschbecken zum Vorschein kommenden Schulze.
»Ich weiß, dass Sie noch einen Mann bei sich haben, also machen Sie mir nichts vor!«
Es bleibt ruhig, nichts rührt sich.
Willibald Adrian Metzger und Petar Wollnar haben längst aus der Hockstellung in eine liegende Position gewechselt, und zum ersten Mal kommt dem Restaurator nun der Gedanke, es wäre deutlich klüger gewesen, auf Heinzjürgen Schulze zu hören. Völlig undurchschaubar ist das Geschehen der letzten Stunden, einzig die Tatsache, mit welch unfassbarer Brutalität hier zur Sache gegangen wird, ist offensichtlich und noch weit entfernt von seiner Vorstellungskraft.
Gustav Eichner blickt in die Dunkelheit Richtung Weinstöcke, senkt seine Waffe und brüllt: »Wenn Sie nicht den Tod dieser jungen Mutter verantworten wollen, dann kommen Sie jetzt raus, kapiert? Obwohl: Die Dame is ja sowieso längst fällig.«
Ein weiterer Knall ist zu hören, beinah geräuschlos sinkt Angela auf die Knie, stützt sich im Gras auf. Blut strömt aus ihrem Oberschenkel, der Lauf der Pistole presst sich nun von oben auf ihren Kopf.
»Um Gottes willen, Gustav, ich fleh dich an!«, ist ihre leise Stimme zu hören: »Das kannst du nicht machen, ich hab doch alles für euch getan, alles, ich …«
»Ich hab gehört, du bist vorhin ein bisschen sentimental geworden«, fällt ihr Gustav Eichner ins Wort: »Warum auf einmal? Du hast gewusst, worauf du dich einlässt, hast selbst davon profitiert. Wenn du hier Sperenzchen machst, ist auch deine Kleine tot, dann war alles umsonst, hast du das kapiert?«
Mit geschlossenen Augen und bis zu den Schläfen dröhnendem Herzen presst sich Willibald Adrian Metzger in den Boden in der Hoffnung, er möge ihn und seinen Freund verschlingen und andernorts wieder heraufwürgen.
»Na fein, dann machen wirs eben wie im Kindergarten, das passt zu der Umgebung. Ich zähl bis drei, und wenn dann wer auch immer noch nicht rausgekrochen ist, gibt’s ein Waisenkind mehr auf dieser Welt.«
Ziellos feuert Gustav Eichner in die Reben.
»Petar«, flüstert der Metzger, »der wird sie erschießen. Was sollen wir machen?«
»Nicht sterben!«, antwortet Hausmeister Wollnar, deutet zum Tor des Weinguts, zaubert dem Metzger damit Hoffnung ins Gesicht, dreht sich in die Seitenlage, schnappt sich einen der unzähligen im Erdreich zu findenden Steine und wirft. Und wenn er etwas kann, dann werfen beziehungsweise stoßen, was zwar nicht dasselbe ist, aber egal, er beherrscht beides. Petar Wollnar war in seiner Jugend sowohl mit Speer als auch Kugel Schulrekordhalter aller Altersstufen und Jahrgänge, und auch wenn er weit entfernt ist von seinem Idol und großen Stolz, dem Landsmann Olympiasieger Tomasz Majewski, ein Wurfgeschoss sollte man ihm aus Wettbewerbsgründen nicht in die Hand drücken.
Raschelnd landet der erste Stein 50 Meter entfernt am Rande des Weingartens, was Gustav Eichner, verbunden mit einem Schuss, entsprechend würdigt. »Na bitte, da tut sich ja was, nur halt zu wenig: eins.«
Der zweite Stein
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