Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
wunderbar einladende, von Trauben umrankte Tor, sondern ein offenbar in die Tiefe des Erdreichs führendes Nebengebäude.
Weintrinken ist wie eine gute Ehe, wenn die Flasche offen ist, ist jeder gute Schluck ein Geschenk, leer ist sie ohnedies viel zu früh – zumindest laut Willibald und vor allem, wenn es sich um einen Tropfen seines absoluten Lieblingsweinguts Braunstein handelt. Außerdem wurde ihm schon von seiner Mutter, wenn sie sich zum Tagesausklang auf ihrem Schemel in der Küche erschöpft ein Gläschen genehmigte, erklärt: »Was schaust denn so, mein Bub, das ist das beste Hausmittel, die beste Medizin. Rotwein ist gut fürs Herz, den Kreislauf, die Gefäße, den Magen, die Blutbildung, fürs Zahnfleisch – brauchst gar nicht so grinsen, du gehst jetzt trotzdem Zähneputzen – und kann altersbedingte Schwerhörigkeit verzögern! Also, sei ja nicht frech, wennst einmal groß bist!«
Weder war der Willibald jemals frech zu seiner Mutter, noch hat sie erleben dürfen, was aus ihm als Großer so geworden ist. Aktuell würde sich diesbezüglich der Stolz wohl eher in Grenzen halten.
Anders bei Heinzjürgen Schulze: »Mensch, danke, jetzt bin ich direkt froh, dass Se nich auf mich gehört haben. Ich glaub, mit dem Steinewerfen habt ihr mir …«
»Wir müssen was tun, Sie verbluten«, erklärt der Metzger im Kerzenschein und erntet ein Schmunzeln.
»Keine Sorge, das ist nur ein Streifschuss. Im Gegensatz zu dir, oder?«, rempelt Schulze den schwer gezeichneten, röchelnd an der Wand lehnenden Gustav Eichner an.
»Meine Wunde muss man nur desinfizieren, bei dir Eichner wird’s ohne operieren nicht gehen. Und jetzt red!«
Gustav Eichner allerdings entscheidet sich vorerst, seinem Gegenüber nur ein abfälliges Grinsen zuteilwerden zu lassen. Das wird sich ändern.
»Desinfizieren«, erhebt sich Petar Wollnar, was hier nicht so leicht ist, denn, wenn die Situation eine andere wäre, entspräche die Umgebung für ihn und zweifelsohne viel mehr noch für den Metzger einem Elysium. Nur gebückt ist es in dieser kleinen, mobilnetz-, fenster- und folglich, wäre die Glühbirne nicht, lichtlosen Umgebung möglich zu stehen, denn in die hinterste Kammer hat sie der alte Sahlbruckner geführt, vorbei an einem wunderschön gestalteten Keller. Zwischen den Ziegeln eingebaute Milchgläser mit dahinter schimmernden Lichtern, bunte von der Decke baumelnde Glaslaternen, alte, aufgekippte hohe Fässer als Trinkgelegenheiten, darum Hocker, eine herrliche bäuerliche Anrichte mit Weingläsern, fein säuberlich geordnet, in der Mitte des runden Raumes eine historische alte Holzpresse. Von diesem runden Raum aus geht es in drei mit Gittern versperrbare kleine Gewölbe. Und in einer dieser Kammern sitzen nun die inhaftierten Herren, allerdings nicht allein.
Rundum Weine, sorgsam gelagert in aus Ziegeln gemauerten kleinen Bögen. Nur sind da eben auch ein paar Flaschen mit kleinerem Durchmesser dabei, was hinsichtlich einer nötigen medizinischen Erstversorgung Hoffnung entstehen lässt.
»Nehmen wir Williams«, hallt es nicht als Frage, sondern Feststellung dumpf durch das Gewölbe, ein leises Ploppen ist zu hören, dann, als wäre der Weinkeller eine Bärenhöhle, ein lautes Brüllen. Gleich zweimal geht Heinzjürgen Schulzes Wunsch nach Desinfektion in Erfüllung. Und während er sich den Schmerz aus dem Leib brüllt, drückt Petar Wollnar abermals bei drei etwas breiteren Flaschen den Stoppel hinein, wartet, bis es ruhig wird, teilt sie aus und erklärt: »Jetzt nächste Verarztung. Auf unser Leben, na zdrowie!«
Dann wird getrunken, einander das Du-Wort gegeben, Schulzes Hemdsärmel abgerissen, die Wunde verbunden und, den im Hintergrund liegenden Gustav Eichner ausgenommen, die Schonfrist beendet.
»Jetzt müssen endlich die Karten auf den Tisch«, beginnt der Metzger »Eichner hat gesagt, du wurdest übersehen. Heißt das, du solltest genauso tot sein wie andere? Wer waren die andren: Szepansky?«
Heinzjürgen Schulze nickt betroffen: »Und Heinrich Albrecht. Er war Geldwäscher und hat nach seiner Zeit im Gefängnis die Seite gewechselt, verdeckt für uns gearbeitet, die Szene beobachtet, ist Auffälligkeiten nachgegangen.«
»Was die hochpreisig verkauften Maiergemälde zweifelsohne sind. Er hat also hier mit voller Absicht mitgesteigert. Warum? Was wollte er herausfinden? Wer die Bilder erwirbt, und ob Maier vielleicht durch den Gemäldeverkauf noch für etwas anderes bezahlt wird, denn der Preis, den
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