Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
wenn tatsächlich anstelle eines Kunstgegenstandes die kleine Darya an Maier geliefert wurde, dann, dann …«.
»… dann wird nicht mit Kunst oder Drogen gehandelt, sondern mit Menschen, und wir waren die ganze Zeit vollkommen blind!«, ergänzt Schulze und wendet sich Gustav Eichner zu.
Totenstille erfüllt das Gewölbe des Weinkellers. Und so grauenvoll die Vorstellung des eben Gehörten im Kopf des Willibald Adrian Metzger auch sein mag, reicht sie nicht heran an das Ausmaß der Wirklichkeit.
Licht geht an, das Gitter auf, und freundlich sieht er nicht drein, der alte Sahlbruckner.
Die Knöpfe und das Leben
Es läutet, nun zum zweiten Mal, und wieder ist es von einer Vehemenz, als wäre die Glocke hängengeblieben.
Ein Unglück kommt eben selten allein, obwohl der mit einer Mieselsucht, da hilft an und für sich nur eine kalte Dusche, auf dem Chesterfieldsofa hockende Josef Krainer kaum noch zu übertreffen ist. Mit verbalem Dauerfeuer attackiert er Danjela, nur es nützt ihm nichts, denn auch die Gegenseite ist geladen, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes:
»Nein, weiß ich nix, was macht Willibald. Nein, werd ich ihn nix anrufen wegen Ihnen und heimkommandieren wie General. Anrufen können Sie selber, haben Sie sicher Nummer. Nein, behindere ich nix Ermittlungsarbeit, weil weiß ich ja gar nix, warum wird ermittelt, maximal behindern Sie Hausfrieden.
Na, dann bleiben Sie von mir aus hocken, aber bin ich keine Wirtshaus.«
Mitten hinein in dieses Gefecht läutet es nun also zum zweiten Mal. Und wieder wird geöffnet. Zumindest bis zur Hälfte, für den Rest ist die sichtlich in Rage geratene, im Stiegenhaus stehende Person selbst zuständig. Haarscharf schnellt das Türblatt an Danjelas Kopf vorbei, der Überraschungsbesuch hingegen rammt, ohne auf Worte wie »Herein« zu warten, das im Weg stehende menschliche Hindernis.
»Wo ist sie?«, stürmt sie durch den Vorraum, betritt das Wohnzimmer, wird fündig und erhebt wutentbrannt ihre Stimme: »Die Putzfrau, die einmal die Woche kommt, hört also auf Poppe!«
»Mutter, ich, ich …«, stammelt Dolly.
»Eva, ich, ich …«, stammelt Danjela.
»Gestatten, Josef Krainer«, erhebt sich ein Mann, der offenbar weiß, was sich gehört.
»Und wer sind Sie, der Rauchfangkehrer?«, zischt ihm Eva-Carola Würtmann entgegen.
»Fast. Kriminalpolizei!«, ist die Antwort, gefolgt von: »Und jetzt würd ich vorschlagen, setzen Sie sich in Ruhe zu uns, bevor als Nächstes der Herzkasperl zu Besuch kommt!«
Es braucht nur zwei weitere Sätze aus dem Mund Eva-Carola Würtmanns, und der Name Szepansky erfüllt den Raum. Und während Danjela und Dolly immer stiller werden, sich hoffnungslos dem so schrill durch die Mansardenwohnung dröhnenden Monolog unterordnen, weiß Josef Krainer keine 15 Minuten später Bescheid, weiß zum Glück als Einziger im Raum von der erst kürzlich durch seine Schusswaffe zur Hinterbliebenen gewordenen Dolores Poppe, von der Urlaubsbegegnung zwischen Eichner, Szepansky, Danjela und dem Metzger, von einem toten Tino und einem einsamen Herzen. Und weil er jetzt doch schon ein bisschen was herausgefunden hat und eben gerade so schön sitzt und weil sich Heinzjürgen Schulze ohnedies noch nicht gemeldet hat und er irgendwie das Gefühl nicht loswird, die so unfassbar gebräunten, freiliegenden, direkt neben ihm am Chesterfieldsofa aus dem ansehnlichen Körper der Eva-Carola Würtmann gewachsenen Knie könnten sich eventuell mit voller Absicht unentwegt an seinen Oberschenkel anlehnen, bleibt er mit den Worten »Rotwein beruhigt die Nerven, gibt’s so was überhaupt in diesem Haushalt?« auch sitzen.
»Ausweis«, fordert der alte Sahlbruckner, sein Gewehr vor der Brust, worauf ihm Heinzjürgen Schulze das Geforderte entgegenstreckt.
Kurz blickt er darauf, dann setzt er fort: »Einer kommt mit. Am besten Sie, dann hab ich kein fremdes Blut im Haus«, deutet er dem Metzger, »sind Sie auch von der Polizei?«
»Ja, er ist mein Kollege!«, fällt ihm Schulze ins Wort. »Sie können ihm vertrauen!«
»Gut!«
In schnellem Tempo führt er den Metzger über den Hof in das Wohnhaus des Weingutes hinein. »Schuhe ausziehen!«
So liebevoll wie der Keller ist auch hier im Vorzimmer das Ambiente. Angelas Mutter steht mit hochgekrempelten Ärmeln in einer Tür. Dämmrig ist das herausfallende Licht.
Man stellt sich flüsternd einander vor, Paul und Hertha, Angela und Emma, so heißen die Bewohner dieses Hauses.
»Leise!«, erklärt Paul
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