Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
Vom Netzwerk:
ein kleines Fläschchen in der Hand haltend, hinter sich eine noch viel ernstere etwa gleichaltrige Frau. Unangenehmer könnte die Situation gar nicht sein, der Willibald hin und her gerissen zwischen den Möglichkeiten Hereinbitten oder nicht; die Djurkovic hin und her gerissen zwischen den Möglichkeiten: Für den Willibald ist das jetzt schrecklich unangenehm, ich geb ihm schnell das Mittel und verschwinde; oder: Ich geb ihm einen Kuss, mütterliche Betreuung und das Mittel, warte, bis er wieder im Bett liegt, und verschwinde erst dann.
    Jetzt wäre ein entsprechendes Signal des jeweils anderen äußerst hilfreich. Mehr als ein verzweifeltes, verkrampftes Lächeln bringen die beiden aber nicht zusammen. Ganz zum Unterschied von der Dame hinter der Danjela. Die durchbohrt den Metzger, da wäre selbst in der Wüste Gobi das Öl gesprudelt, nicht freundlich, versteht sich, sondern mit einem hochnäsigen Blick von der Sorte: Was bist denn du für eine traurige Witzfigur?
    Die Djurkovic rettet kurz die angespannte Situation und meint: „Bring dir schnell Mittel gegen Erkältung. Ist nix gefährlich, aber wirkt wie Wunder. Musst du nehmen sofort und in nächste Stunde alle 15 Minuten fünf Kugel. Dann drei- bis viermal jeden Tag. Lasst du zergehen in Mund wie Wein auf Zunge. Musst du kommen wieder auf Füße, nix gut, wenn zu lange Arbeit und alles andere muss verzichten auf Willibald. Außerdem gibt Angelegenheit, brauch ich gesunde Metzger!“
    Eine sanfte, den Metzger erleichternde Zärtlichkeit huscht über ihr Gesicht, nur so sanft kann die gar nicht sein, dass sie gegen die Grobheit im Antlitz ihrer Begleitung etwas auszurichten vermag.
    „Das übrigens ist gute Freundin Zusanne Vymetal. Sind wir unterwegs in Stadion, Zusanne dort ist Chefin für Reinigung, hat besorgt uns Karten für Spiel vorgestern. Zeigt mir ein wenig Stadion von innen, kann ich betreten heilige Rasen.“
    Dass die Djurkovic dort aber nach dem Vorfall am allerwenigsten der Rasen interessiert und dass die Angelegenheit, für die sie ihren gesunden Metzger braucht, eine ganz andere ist, als die hinter ihr stehende Zusanne Vymetal in ihrer einfachen Denkweise wahrscheinlich annimmt, ist dem Willibald durchaus bewusst: Er kennt ja die schier unerschöpfliche Neugierde seiner Danjela, und außerdem ist es zu dem, was die Vymetal angenommen hat, bei den beiden ja noch gar nicht gekommen.
    In Gegenwart vorsichtiger Liebe ticken die Hormonuhren etwas anders.
    „Dann schau halt, dass du dir im Stadion und auf dem Rasen nicht die Füße schmutzig machst!“, meint der Metzger wohlweislich, und seine Danjela fühlt sich schon ein wenig mehr zuhause in seiner momentan eher ungemütlichen Nähe: Was gibt es auch Schöneres als die Ahnung, mein Partner hat mich durchschaut.
    Schön für die Djurkovic, ein Gräuel für die Vymetal. Die betrachtet nämlich jetzt den Metzger nicht nur mit noch abschätzigerem Blick, sondern auch die eigentlich für Danjelas Ohr bestimmte Bemerkung als Frontalangriff auf ihre Reinigungsqualitäten.
    In perfektem Deutsch antwortet sie:
    „Im Stadion und auf dem Rasen kann sich keiner die Füße schmutzig machen, Herr Metzger, da können Sie wenige Stunden nach einem Spiel barfuß durch die Sitzreihen spazieren!“
    Dem Willibald ist nun schon des Öfteren aufgefallen, dass so manche Putzfrau eine Überheblichkeit an den Tag legt, da können nur noch Oberärzte, Polizeibeamte oder Kellner mithalten. Der Metzger hat dazu auch zwei passende Begründungen parat, die kombiniert erst den wahren Schrecken auslösen.
    Erstens: Wahrscheinlich bewahrt sich die Putzfrau durch diese Arroganz Reste ihres Stolzes, um, während sie sich dem gar nicht von ihr selbst verursachten Dreck widmet, überdeutlich zum Ausdruck zu bringen: Ich bin gar nicht so niedrig wie die von mir selbst als niedrig eingestufte und folglich missmutig getätigte Arbeit.
    Zweitens: Eine Putzfrau bekommt während des Saubermachens der Privat- und Intimsphäre anderer ungeahnte Einblicke in deren Lebensführung und Gewohnheiten, wodurch sie
    a) die betreffenden Personen besser kennt als diese sie,
    b) mehr von ihnen weiß, als diesen lieb ist, und sich folglich dazu geneigt fühlt,
    c) diese heikle Asymmetrie und das daraus entstehende inverse Machtverhältnis zu ihrem Dienstgeber auf subtile Art und Weise bestmöglich zu kommunizieren, ergo: Arroganz.
    So wie die Vymetal da in Willibalds Türrahmen steht, dicht gedrängt an die Djurkovic, erweckt es den Anschein,

Weitere Kostenlose Bücher