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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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gleich heute morgen um acht Uhr bei Dienstantritt versteckt. Noch ein anderer mußte das Versteck erreicht haben, als die Beichten vorüber waren. Hinter dieser Sache steckten echte Profis. Es machte ihm nichts aus, einen Menschen niederzuschießen. Im Laufe der Zeit hatte er mindestens achtzehn Menschen getötet, darunter auch eine Frau, die ihm bei einem Überfall in die Quere gekommen war. Diese Gelegenheiten zur Selbstbestätigung betrachtete er als einen der wenigen Vorteile seines lausigen, schlecht bezahlten Berufs. Wenn er etwas bedauerte, dann war es höchstens der Umstand, daß er nicht schon viel früher versucht hatte, mit seiner Dienstmarke Geld zu verdienen. Bei dem Gedanken, was dieser Berufskiller wohl dafür bekommen mochte, daß er Martino Regazzi durchlöcherte, wurde ihm so schlecht, daß er ihn allein dafür schon umbringen konnte. Aber diese Gelegenheit entging ihm bestimmt, wenn der Attentäter kniff und nicht durch die Hintertür zu flüchten versuchte. Dann bekam er seine zehntausend Dollar nicht.
    Er zog sich bis an die Tür zurück und nahm die Pistole aus der Tasche. Sie war entsichert und fühlte sich in seiner schweißnassen Hand klamm an. Leise fluchend wischte er den Griff ab. Zehntausend – großer Gott, warum hatte der Schweinehund nicht geschossen? Warum ließ er diese Gelegenheit vorübergehen? Es war ja viel gefährlicher, ihn auf dem Rückweg umzulegen. Da mußte er ihn von vorn erschießen. Der Beamte hätte am liebsten vor Verzweiflung geheult.
    Keller saß im Hauptschiff der Kathedrale und beobachtete die Messe. Er hatte keine Zeit für Erinnerungen; was hinter ihm lag, war so wenig, daß man es leicht vergessen konnte. Erst der Duft des Weihrauchs erinnerte ihn wieder lebhaft an die Kapelle im Waisenhaus. Damals wurde ihm bei jeder Messe schlecht. Weihrauch verträgt man mit einem leeren Magen nicht. Er erinnerte sich noch genau an das Schwindelgefühl und den Druck im Magen. In der Kapelle war es immer kalt. Der Fußboden bestand aus Stein, und von Kniekissen hielten die frommen Schwestern nichts. Er kannte die Worte des Kyrie auswendig. Er kannte jedes Wort, das der Chor dem Priester vorn am Altar antwortete, dessen Stimme durch Lautsprecher verstärkt wurde. »Christus, erbarme dich unser. Christus, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser. Gloria in excelsis deo.«
    Die Leute ringsum sangen. Der Mann, der ihn bezahlte, glaubte nicht an Gott. In diesem Punkt waren sie einander ähnlich. Souha war gläubig gewesen. Sie hatte ihm nur ein einziges Mal widersprochen und in ihrer kindlichen Art den Namen Allahs verteidigt, als er ihre mohammedanischen Vorstellungen als Mythos abgetan hatte. Sie hatte an ihren Gott geglaubt, genau wie die Nonnen, die ihn und die anderen Waisenkinder versorgten. Auch die Priester da vorn glaubten an ihren Gott. Diese Parallele war keine Gefühlsduselei. Sie war eine Tatsache wie Hunger, Armut und Rache oder die überwältigende Sehnsucht nach einer Frau. Tatsachen hatte er nie angezweifelt.
    Die Gemeinde erhob sich zum Evangelium. Einer der Priester trat vom Altar herab und verlas es vor einem Mikrofon. Keller hörte nicht hin. Er hatte sich wieder näher an die Stufen herangeschoben und an einer Säule mit einer Heiligenstatue Posten bezogen. Die steinernen Füße berührten fast seinen Kopf. John Jackson saß nur etwa drei Meter entfernt in der vordersten Reihe, flankiert von zwei kräftigen Männern mit frischen, bärtigen Gesichtern, die dunkle Anzüge trugen und sich sehr wichtig vorkamen.
    Einer von ihnen hatte Grünzeug am Rockaufschlag stecken, das wie Kresse aussah. Jacksons Brillengläser spiegelten den Lichtschein wider und verbargen seine Augen. Dann setzte sich die ganze Menschenmenge sehr geräuschvoll wieder hin, und der Kardinal begann von dem Thronsessel neben dem Hochaltar zu sprechen.
    Matthews rief Leary im Büro an. Was er erfahren hatte, war so wichtig, daß er auf jede Deckung verzichtete. Ihm wurde mitgeteilt, Leary telefoniere gerade auf der anderen Leitung. Aber Matthews blieb hartnäckig. Er kannte seinen Chef. Er war immer noch verärgert und wollte nicht mit ihm sprechen. Wenn man auf seine Verbindung warten mußte, war das ein sicheres Zeichen dafür, in Ungnade gefallen zu sein.
    »Ich muß ihn sprechen«, sagte Matthews. »Sagen Sie ihm, der Fall ist gelöst.« Er mußte noch einmal warten. Dicht hinter Elizabeths Taxi passierte er eine zweite Ampel. Es war nicht weiter schwierig, weil der Verkehr sich nur im

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