Der Meuchelmord
wurde. Wenn die Gesellschaft weniger egoistisch wäre, christlicher in der Verteilung der gewaltigen Reichtümer Amerikas, dann gäbe es keine Minderheitenprobleme, keine Bedrohung. Die Reichen hatten viele Verfechter. Er, Martino Regazzi, wollte der Vorkämpfer der übrigen werden und Jackson seine christliche Herausforderung ins Gesicht schleudern – ganz buchstäblich, weil er am St.-Patricks-Tag vor ihm inmitten der Gemeinde sitzen würde. Er hatte am ersten Entwurf dieser Predigt lange gearbeitet, und bis zum endgültigen Text waren noch viele Änderungen nötig. Deshalb hatte er den armen alten Patrick Jameson geweckt, obgleich er wußte, daß er im Vorraum schlief. Er hatte jemanden gebraucht, mit dem er reden, dem er sich anvertrauen konnte. Er kannte seinen Privatsekretär seit langem sehr genau. Es war sein ehrlicher Eindruck, wenn er sagte, er sei ein guter Mensch und ein guter Priester. Jameson war schlicht und menschenfreundlich, ohne Ansprüche an das Leben, abgesehen von der natürlichen Sehnsucht nach ein wenig Ruhe. Die Loyalität eines solchen Mannes brauchte der Kardinal sehr dringend. In dieser Nacht hatte er die Bürde der Entscheidung so schwer auf seinen Schultern gespürt, daß bei ihm der Mensch zum Vorschein gekommen war und er um diese Treue gebeten hatte.
Er kniete lange Zeit vor dem Altar, betete um Mut und Kraft und dankte Gott für Patrick Jamesons Großmut, weil dieser Mann ihn drei lange Jahre ertragen und ihn in der Not nicht abgewiesen hatte.
3
In den vier Jahren seit der Trennung von Elizabeth Cameron hatte Peter Matthews' Lebensweg eine neue Richtung eingeschlagen. Er hatte genau das getan, was Söhne reicher Eltern zu tun pflegen: Nach dem Studium in Yales war er ins elterliche Maklergeschäft eingetreten; er hatte mit hübschen Mädchen geschlafen und amüsante Reisen unternommen; er war in einen Scheidungsfall verwickelt und kam davon, ohne die Frau heiraten zu müssen. Er hielt sich in jeder Beziehung an die Konventionen von Reichtum und Unmoral und langweilte sich dabei zu Tode. Seine Affäre mit Elizabeth war nur eine unter vielen gewesen – für ihn gar nichts Besonderes. Daß er sich noch genau daran erinnerte, lag an etwas anderem: Nachdem er mit knapper Not dem Ehejoch entkommen war, unter das sie ihn offenbar zu zwingen versuchte, wechselte er sowohl die Bettgenossin als auch seinen Beruf. Er flog nach Washington, traf sich zum Essen mit einem alten Studienfreund, der jetzt im Außenministerium arbeitete, und fragte ihn beim dritten Whisky ganz unverblümt, ob er nicht für ihn, Peter Matthews, irgend etwas Vernünftiges wüßte, was er anfangen könnte, bevor er völlig durchdrehte und das gesamte Geld seiner Klienten in irgendeine südamerikanische Goldmine steckte.
Er kehrte ohne eine Antwort auf diese Frage nach New York zurück und hatte sie bis zum Wochenende schon wieder vergessen. Dann besuchte ihn aber der Studienfreund und brachte noch jemanden zum Essen mit. Es war derselbe Mann, der vier Jahre später hinter seinem Schreibtisch im New Yorker Büro des CIA saß und Matthews nach seiner alten Affäre mit Elizabeth Cameron fragte. Er hatte inzwischen aus dem verzogenen Sohn reicher Eltern einen der besten Agenten seiner Organisation gemacht. Äußerlich hatte sich Peter Matthews kaum verändert. Er hatte nur einen größeren Freundeskreis als zuvor und unterhielt ihn wie immer mit einer Mischung aus Schnodderigkeit und Warmherzigkeit, die ihm alle Türen öffnete. Auch die Türen zu Schlafzimmern. Aber hinter dieser Fassade waren die Instinkte des ruhelosen, skrupellosen Vagabunden von Bett, Flasche und Spielklub abgelenkt und in neue Kanäle geleitet worden; Matthews' Leben verlief so aufregend, wie er es sich nur wünschte. Dafür war er gern bereit, eine harte Disziplin auf sich zu nehmen. Francis J. Leary hätte keinen einzigen Fehler geduldet, der auf Faulheit oder mangelnde Vorsicht zurückzuführen war. Das wußte Matthews. Er mochte seinen Boß; er gefiel ihm schon damals bei dem Essen vor vier Jahren, und er gefiel ihm immer noch, obwohl er ein Ire war. Bei Iren war Matthews sonst sehr vorsichtig. Man konnte nie wissen. Aber Leary war ein umgänglicher Mensch, charmant und humorvoll, empfänglich für Matthews' Witz und Schlagfertigkeit, und er war außerdem der durchtriebenste Hund, dem Matthews in seinem neuen Beruf jemals begegnet war.
Nun wollte Leary einiges über Elizabeth wissen. Er wußte von dem Verhältnis der beiden, da Matthews'
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