Der Meuchelmord
kann nicht gewinnen«, sagte Jameson, »er kann höchstens die Wählerschaft aufsplittern.«
»Genau, das kann er. Er kann die beiden großen Parteien so sehr schwächen, daß er zwar nicht diese, aber vielleicht die nächste Wahl gewinnt. Immer vorausgesetzt, daß die Bedingungen für ihn günstig sind. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Was würde wohl geschehen, wenn er gewählt würde?«
Jameson zögerte, dann sagte er: »Die Neger würden revoltieren, das halte ich für sicher. Wir hätten einen Bürgerkrieg hier im Land. Seine Lohnpolitik würde wahrscheinlich die Gewerkschaften auf den Plan rufen, und es käme zu Streiks. In der Außenpolitik bin ich mir nicht so sicher. Wahrscheinlich würde er eine Art Isolationismus betreiben. Aber er könnte viel Macht ausüben. Ich glaube, daß sich weite Teile unserer Bevölkerung hinter manche seiner Ideen stellen würden. Dann gibt es wiederum andere Gruppen, wie zum Beispiel die Farbigen, die ihn bekämpfen müßten.«
»Bürgerkrieg und Chaos«, sagte der Kardinal. »Ein Mann wie Jackson bringt das hervor. Aber was bringt einen Jackson hervor? Ist das nicht ebenso wichtig?«
»Ich denke schon.« Jameson hatte eine Pfeife in der Tasche stecken, aber er zog sie nicht hervor, da Regazzi weder rauchte noch trank.
»Leute wie dieser Jackson kommen durch Unwissenheit, Armut und soziale Ungerechtigkeit nach vorn«, sagte der Kardinal. Er sprach in ruhigem Ton wie bei einer Unterhaltung zwischen Freunden. »Es gibt immer wieder solche Leute, aber sie kommen nicht weiter als bis an die nächste Straßenecke oder an die Spitze kleiner radikaler Gruppen, wenn wir ihnen nicht ein entsprechendes Klima schaffen. Jackson bewirbt sich nur deshalb um die Präsidentschaft, weil dieses Klima jetzt existiert. Unsere Gesellschaft hat so viel Armut, Unwissenheit und Ungerechtigkeit aufzuweisen, daß die Betroffenen aus Verzweiflung zur Gewalt greifen. Und ihre Gewalt bringt vielen anderen Menschen noch mehr Unwissenheit und Angst, Leuten, die es nicht verstehen, Probleme anders zu lösen als mit Feuerwehrschläuchen und Gummiknüppeln. Es ist ganz natürlich, daß sie einen Mann wie Jackson auf die Schultern heben und sich von ihm das sagen lassen, was sie hören wollen. Darin liegt die Gefahr.«
So ausgedrückt ließ sich nichts dagegen sagen. Jameson nickte.
»Dagegen kämpfe ich«, erklärte der Kardinal. »Ich kämpfe gegen dieses Klima, gegen das Elend, die Dummheit, die Arroganz, mit der behauptet wird, die Leute seien selbst daran schuld, wenn sie unter solchen Dingen zu leiden hätten. Ich werde dazu alle mir verfügbaren Mittel einsetzen. Ich lasse mich schminken und trete vor die Fernsehkameras, ich spreche es in Predigten und Gebeten aus und hämmere es diesen Leuten ein, denn Gott hat mir diese Gaben geschenkt und will, daß ich sie anwende. Ich weiß, daß Sie mit mir nicht einverstanden sind, Patrick, das habe ich immer gewußt. Aber ich hoffe, daß Sie zumindest begreifen, warum es sein muß. Ich möchte gern, daß Sie mich aufrichtigen Herzens unterstützen.«
Es war das erstemal, daß der Kardinal ihn mit dem Vornamen angesprochen hatte. Jameson spürte, daß er bis unter den Kragen rot wurde. Scham und Verlegenheit griffen nach ihm. Jetzt holte er tatsächlich die Pfeife aus der Tasche und begann sie zu stopfen. »Wenn Sie jemals den Eindruck hatten … Wenn ich getan haben sollte, als ob … Eminenz, ich weiß nicht, was ich jetzt sagen soll.«
»Sagen Sie, daß Sie mich verstehen. Sie sind ein guter Mensch und ein guter Priester. Und Sie haben mich in echt christlicher Art ertragen. Ich glaube, daß unsere Aufgabe nicht nur darin besteht, die Messe zu lesen und die Sakramente zu spenden. Ich glaube, daß wir auf allen Ebenen der Gesellschaft für das Gute kämpfen müssen. In der Welt – nicht nur in der Weltkirche. Ich glaube an den Kampf für mein Volk, und damit meine ich mein ganzes Volk, schwarz und weiß, Katholiken und Protestanten. Ich muß in der Politik, auf dem sozialen Sektor, in der Industrie kämpfen. Ich werde auch Jackson bekämpfen. Ich habe eine Predigt für den Patricks-Tag entworfen. Ich möchte gern, daß Sie sie morgen lesen.«
»Es wird mir eine Ehre sein«, murmelte Jameson. »Eine große Ehre.«
»Es ist jetzt spät«, sagte Regazzi, »Sie sind müde, wir sind beide müde. Ich hoffe, daß Sie mich trotz der langen Nächte nicht im Stich lassen werden.«
Er stand auf. Jameson rappelte sich hoch. Er steckte die kalte
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