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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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mit Huntley Cameron, verkehrt in rechtsradikalen Kreisen. Siehe Time Magazine, November 67. Erste Überprüfung ergab weder Skandale noch Unregelmäßigkeiten. In letzter Zeit Begleiter von Elizabeth Cameron, flog mit ihr für einen einwöchigen Urlaub nach Beirut. Mehr hatten seine Leute nicht erfahren.
    Es hätte über King gar kein Aktenstück gegeben, wenn Leary nicht einen Bericht von seinem Agenten bei der Sûreté in Paris erhalten hätte. Dem CIA wird häufig vorgeworfen, er durchdringe und unterwandere die Geheimdienste anderer Länder und verleite deren Agenten, für ihn zu arbeiten. Dem CIA wurden überhaupt viele unorthodoxe und wenig feine Dinge vorgeworfen, und Leary war insgeheim stolz darauf, daß vieles davon tatsächlich stimmte. Er hatte eigene Leute im französischen Geheimdienst sitzen, Leute, die alles meldeten, was für den CIA von Interesse sein konnte. Ein kurzer Auszug aus einem solchen Bericht war an die letzte der drei Seiten angeheftet. Die Besitzerin eines Pariser Edelbordells hatte in ihrem Bericht an die Sûreté erwähnt, daß sich der französische Kommunistenführer Marcel Drouet in ihrem Etablissement mit einem Amerikaner namens King getroffen habe. Learys Mann hatte die Spur bis zu dem Taxi verfolgt, das King am nächsten Morgen ins Hotel zurückbrachte, und ihn nach dem Gästeverzeichnis identifiziert. Das hatte Leary argwöhnisch gemacht. Drouet war einer der Spitzenfunktionäre. Er hatte es nicht nötig, ein Bordell aufzusuchen, es sei denn, er traf sich mit einem anderen Spitzenmann. Mit Eddi King, dem wohlhabenden Verleger. Da stimmte etwas nicht. Nach Learys Ansicht stank das zum Himmel. Er hoffe nur, daß Miß Elizabeth Cameron nicht derselbe Geruch anhaftete. Es war durchaus möglich, daß sie wesentlich mehr über Mr. King wußte, als Learys eigene Leute inzwischen ausgegraben hatten. Und was sie nicht wußte, konnte sie vielleicht in Erfahrung bringen, da sie ja dazugehörte. Er hoffte, daß Peter Matthews jetzt nichts falsch machte.
    Er notierte etwas auf dem Aktenstück und klappte es zu. Inzwischen überprüften seine Leute in Minneapolis die Unterlagen in der Schule und an der Universität. Irgendwann war jemand an King herangetreten. Höchstwahrscheinlich während seiner Internierung in Frankreich. Diese Phase überprüften die Franzosen. Außerdem ließ Leary alle Mitarbeiter von Future gründlich durchleuchten. Sein Vorgesetzter mochte die Ansicht vertreten, so viel Wirbel um eine einzige Spur sei übertrieben, aber Leary arbeitete mit einem Argument, das Widerspruch erstummen ließ: Eine Wahl stand vor der Tür.
    Keller war nun schon seit einer Woche in Amerika. Wenn er daran dachte, überkam ihn eine Art bitterer Humor. Eine Woche hatte er nun schon als Gefangener in dieser Luxuswohnung verbracht, sich von dem Magritte an der Wand anstarren lassen, nacheinander alle Bücher gelesen, die er im Gästezimmer fand, dazwischen ferngesehen und auf einen Anruf gewartet, der nicht kam. Niemand hatte sich mit ihm in Verbindung gesetzt. Elizabeth Cameron kam und ging und gab sich Mühe, ganz normal zu tun, aber man merkte ihr doch von Tag zu Tag immer mehr die innere Unruhe an. Sie kochte für ihn und verschwand tagsüber, um all die Dinge zu tun, mit denen reiche Frauen eben ihre Zeit vertrödeln. Die Abende verbrachten sie gemeinsam. Am ersten Abend war er schon früh in sein Zimmer gegangen, hatte sich auf das Bett geworfen und versucht einzuschlafen.
    Nach dem vierten Tag gab er nach. Er fühlte sich halb erstickt, nervös und reizbar durch die Spannung und Ungewißheit. Er gehörte zu den Menschen, die Einengung und Untätigkeit nicht ertragen. Also ließ er sich von ihr dazu überreden, auszugehen und sich New York anzusehen. Er mußte sich widerwillig eingestehen, daß ihm das, was er da sah, immer besser gefiel. Es war eine großartige Stadt, nicht vergleichbar mit Paris, der einzigen europäischen Metropole, die er kannte, und auch nicht mit den Städten im Orient, die so anders waren, als lägen sie auf einem anderen Planeten. Sie hatte schon recht: New York war eine aufregende Stadt. Sie erinnerte Keller an einen riesigen glitzernden Bienenschwarm, bevölkert von einer Menschengattung, wie Keller sie noch nie kennengelernt hatte. Sie hatten es immer eilig, fühlten sich angetrieben von einer typisch amerikanischen Hast, die sich nur schwer beschreiben ließ, und lebten in einem Tempo, das an den Nerven zerrte und den Martini fast zu einem Nationalemblem erhob.

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