Der Meuchelmord
daß Sie jetzt zu Recht ärgerlich sein werden, aber ich verstehe leider auch nichts von Einkommensteuer.«
Elizabeth sah ihn gerade an. »Was soll ich dann überhaupt noch hier, Mr. Leary? Ich verstehe nicht ganz …«
»Dieses Büro hier hat nichts mit dem Finanzamt zu tun«, sagte Leary. »Ich habe Matthews beauftragt, Sie hierherzubringen, ihm aber die Einzelheiten überlassen. Sie sitzen hier im New Yorker Büro der Central Intelligence Agency. Ich gehöre zu den leitenden Beamten des Geheimdienstes. Wenn Peter Matthews Ihnen vorgemacht hat, er sei bei der Steuerfahndung, dann hat er Sie schlichtweg belogen. Aber das haben Sie vermutlich ohnehin schon erraten.« Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf.
»In Wirklichkeit gehört er zu meinen besten Agenten. Wollen Sie uns helfen? Er war sicher, daß Sie uns diese Bitte nicht abschlagen würden.«
»Manchmal ist er etwas zu selbstsicher«, sagte Elizabeth. »Wie sollte ausgerechnet ich Ihnen helfen?«
»Indem Sie mir eine Weile zuhören und mir dann vielleicht ein paar Fragen beantworten«, sagte Leary. »Dafür wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar. Sie kennen den Verleger Eddi King, nehme ich an?«
»Ja, ich kenne ihn. Er ist mit meinem Onkel Huntley Cameron befreundet.«
»Er ist mit vielen einflußreichen Leuten befreundet«, sagte Leary. »Mit Politikern, Industriellen und bekannten Größen aus der Literatur. Er steht ziemlich weit rechts, nicht wahr?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Elizabeth. »Über Politik habe ich nie mit ihm gesprochen. Ich glaube, er ist nicht damit einverstanden, daß mein Onkel die Demokraten unterstützt. Aber was soll das alles, Mr. Leary? Warum erkundigen Sie sich nach Eddi King?«
»Bevor ich diese Frage beantworte, muß ich Ihnen etwas erzählen. Sie haben doch im vergangenen Jahr Ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz verloren, nicht wahr? Eine B-707 explodierte beim Anflug auf Mexico City. Alle Insassen kamen ums Leben.«
»Ja«, murmelte sie. Er hatte das Gefühl, als zöge sie sich etwas von ihm zurück. Sie wollte über diese Angelegenheit nicht sprechen und auch nichts davon hören. Aber er kannte kein Erbarmen.
»Ich habe von Peter manches über Ihre Mutter gehört«, fuhr er fort. »Sie muß eine wunderbare Frau gewesen sein. Sie hingen sehr an ihr, nicht wahr?«
»Bitte«, sagte Elizabeth und tat, als wollte sie aufstehen. »Bitte, diese Sache regt mich immer noch furchtbar auf …«
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte Leary. »Ich weiß, wie Ihnen zumute sein muß. Und glauben Sie mir, ich tue so etwas sehr ungern. Ihre Mutter ist nicht einem Unfall zum Opfer gefallen. Die Maschine stürzte durch einen Sabotageakt ab. Ihre Eltern wurden ermordet, als hätte sie jemand auf offener Straße erschossen.«
Man hörte Elizabeths Handtasche zu Boden fallen. Sie wurde so bleich, daß Leary aufsprang. Im ersten Augenblick befürchtete er einen Nervenzusammenbruch. Er bückte sich und gab ihr die Handtasche wieder, hob die Zigarette vom Fußboden auf und drückte sie im Aschenbecher aus. Dann legte er ihr die Hand auf die Schulter.
»Es tut mir wirklich leid«, murmelte er. »Wie muß Ihnen jetzt zumute sein!«
»Das stimmt nicht«, sagte sie, »das kann nicht wahr sein. Ich glaube es nicht.«
»Ich habe hier die Beweise«, entgegnete er. »Hier in diesem Kästchen.« Er öffnete es und zeigte ihr ein verbogenes Metallstück. Es war ungefähr achtzehn Zentimeter lang und zwölf Zentimeter breit. In der Mitte war ein schwarz gerändertes, ausgezacktes Loch. Er zwang sie dazu, das Metallstück in die Hände zu nehmen. Der Stahl war kalt und so scharf an den Kanten, daß sie sich fast die Haut daran ritzte.
»Das ist ein Teil des Leitwerks«, erklärte Leary. »Wir haben die Trümmer des Wracks überall zusammengesucht. Einige davon lagen im seichten Wasser. Wir haben nämlich Anlaß zu einem bestimmten Verdacht, Miß Cameron, und die Art und Weise, wie die Maschine explodierte, konnte einfach kein Unfall sein. Dieses Stück vom Leitwerk gehört zu den Teilen des Gepäckraums, die wir noch bergen konnten. Im Gepäck befand sich eine Bombe, Miß Cameron. Sie wurde in die Maschine geschmuggelt, um einen ganz bestimmten Fluggast zu töten: den Vizepräsidenten der Republik Panama. Es hatte in Panama eine kommunistische Revolution gegeben, die dem Land schweren Schaden zufügte. Wäre Miguel Mantonarez am Leben geblieben, so hätte sie verhindert werden können. Also ermordete man ihn – und Ihre Eltern
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