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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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konnte sich des vorhandenen Netzes bedienen, hatte aber keine Weisungsbefugnisse. »Ja, was ist mit ihm?«
    »Er ist überfahren worden. War sofort tot.«
    »Schade.« So war das also passiert. Keller war am Kennedy-Flughafen gar nicht abgeholt worden. Der Kontaktmann war ums Leben gekommen, und dadurch fiel das ganze komplizierte Arrangement in Stücke. Warte nur, bis ich darüber berichte! King dachte wütend an die Unfähigkeit der Leute, die für Pannen wie einen plötzlichen Todesfall nicht vorgesorgt hatten. Wartet nur, ihr blöden Hunde!
    »Na schön«, schnarrte er in das Telefon, »dann muß ich eben ein paar Hotels anrufen und versuchen, meinen Freund zu finden. Halten Sie trotzdem das Zimmer frei. Sie hören wieder von mir, sobald ich festgestellt habe, wo er sich aufhält.« Er hieb den Hörer wütend auf die Gabel. Der Apparat schepperte protestierend. Kings Hände zitterten: Er hatte Keller verloren. Nur weil er sich um seine anderen Sachen kümmern mußte und den allerletzten Schritt den New Yorker Leuten überlassen hatte, war alles schiefgegangen. Er erinnerte sich wieder, wie er in Paris selbstsicher zu Drouet gesagt hatte: ›Alles läuft planmäßig.‹ Er konnte sich leicht vorstellen, was für einen Bericht Drouet abfassen würde, wenn er davon erfuhr. Dann würde es ihm auch nichts mehr helfen, wenn er die Schuld auf seine Mitarbeiter schob. Das hier war sein Auftrag, und er hatte sich schon zu sehr engagiert, um noch einen Rückzieher zu machen. Wenn die Sache schiefging, wenn sein Werkzeug verlorenging oder gefaßt wurde, wenn die Spur nach Beirut zurückverfolgt wurde …
    Er wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. Der Schweiß hinterließ Flecken auf der reinweißen Seide. Jetzt gab es nur noch eine einzige Hoffnung: Vielleicht war Elizabeth auf dem Kennedy-Flughafen nicht einfach weggegangen, ohne abzuwarten, ob Keller abgeholt wurde. Aber es war eine vage Hoffnung. Elizabeth hatte sehr klar zum Ausdruck gebracht, daß sie den Mann nicht mochte, und er selbst hatte ihr gesagt, sie brauchte ihn bloß durch den Zoll zu schleusen und dann stehenzulassen. Er sah auf die Uhr. 11 Uhr 30. Er griff nach dem Telefon. Es klingelte so lange, daß er schon auflegen wollte, aber im letzten Moment hörte er Elizabeths Stimme.
    Sie hatten am Fernseher gesessen. Keller hatte eine so kindliche Freude daran, daß Elizabeth sich ihm zuliebe jede Serie, jede Quizsendung, jeden Film anschaute. Außerdem war es schön, dicht beisammen zu sitzen und zu beobachten, wie er wieder eine neue Seite Amerikas entdeckte. Bei der Nachrichtensendung hatte er sich ihr zugewandt und bemerkt, sie seien ziemlich müde. Da hatte sie gelacht, seine Hand von ihrem Busen weggeschoben und erklärt, diese Sendung wolle sie sich nun einmal ansehen.
    »Ein sehr bemerkenswerter Mann«, sagte sie. Auf dem Bildschirm erschien Kardinal Regazzi.
    Er gab ein Interview zum Problem des Drogenmißbrauchs bei Kindern.
    Keller beugte sich ein wenig vor und wurde aufmerksam. »Soll das etwa heißen, daß bei euch die Kinder schon das Zeug nehmen?« Das klang erschrocken. In den Ländern, die er näher kannte, spielte sich das Leben auf einer so niederen Ebene ab, daß alles möglich war – aber hier, in dieser reichen Stadt, wo alle im Überfluß lebten, erschien es ihm als unmöglich.
    »Es wird immer schlimmer. Hör Regazzi zu, er weiß, was Armut ist.«
    »Hier gibt es keine Armut«, erwiderte Keller. »Und ich habe noch nie einen armen Kardinal gesehen. Du bist doch nicht katholisch, oder?«
    »Nein.« Elizabeth schüttelte den Kopf. »Aber du bist sicher katholisch, wenn dich die Nonnen erzogen haben.«
    Keller gab ihr keine Antwort. Er saß da und starrte auf den kleinen Schirm. Dieser Mann verstand es wirklich, innerhalb weniger Minuten Eindruck zu machen.
    »Worin sehen Sie die Ursache dieser Entwicklung?« fragte die Stimme des unsichtbaren Interviewers.
    »Wenn ein Kind sich so sehr wünscht, dieser Welt zu entfliehen, daß seine Phantasie nicht genügend genährt wird durch Bücher und Filme und Fernsehen, all die Fluchtmittel, die wir zu bieten haben, dann kann das nur bedeuten, daß einem solchen Kind alles mangelt, worauf es ein Recht hat: Chancen, Sicherheit, Liebe, Hoffnung. Wenn man nur einen Teil des Geldes, das für Besserungsanstalten aufgebracht wird, für eine anständige Unterbringung und eine bessere Erziehung solcher Kinder verwenden würde, brauchten sie keine Rauschmittel.«
    Keller sagte: »Das ist

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