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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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und alle anderen Insassen des Flugzeugs.«
    »Wer?« flüsterte Elizabeth. Sie drehte mit zitternden Fingern das häßliche Metallstück hin und her. »Wer?«
    »Die Kommunisten«, sagte Leary. Er setzte sich wieder hinter den Schreibtisch. »Ihnen gilt ein Menschenleben nichts. Sie richten sich nach dem alten Wahlspruch der Jesuiten: Der Erfolg heiligt die Mittel. Sie haben Ihre Eltern, die anderen Passagiere und die Besatzung umgebracht. In der Maschine befanden sich auch Kinder. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Nein«, flüsterte sie, »nein, danke. Sie meinen – meine Eltern könnten noch leben, wenn mit dieser Bombe nicht ein anderer getötet werden sollte? Meine Mutter könnte noch am Leben sein?«
    »Sicher«, antwortete Leary.
    »Warum haben Sie mir das erzählt?« Sie beugte sich vor und legte das Beweisstück auf den Schreibtisch. Sie mußte es immer wieder anstarren, diesen stummen Zeugen der Explosion. Sicher saßen alle schon angeschnallt auf ihren Plätzen, bereit zur Landung. Ihre Mutter liebte Mexico. Sie hatte ein Haus in Cuernevaca gekauft. Elizabeth hatte ihrer Mutter noch beim Einrichten geholfen. Das ganze Zimmer begann sich zu drehen, als liefe es auf Rollen. Elizabeth schloß die Augen, um den häßlichen schwarzen Metallsplitter nicht mehr sehen zu müssen. Sicher war der Rumpf aufgerissen wie eine Papiertüte. Sie mußten von einem Augenblick zum anderen gestorben sein, in kleine Stücke zerfetzt, in einem einzigen grellen Blitz in die Ewigkeit geschleudert.
    »Oh, mein Gott.« Sie sank nach vorn, und die Tränen stürzten ihr aus den Augen. Leary regte sich nicht. Er ließ sie weinen. Sie wäre sonst wahrscheinlich ohnmächtig geworden. Er drückte auf einen Summer. Seine Sekretärin meldete sich.
    »Nancy, bringen Sie mir zwei Tassen Kaffee und einen Kognak. Bitte, keine Anrufe, ich möchte nicht gestört werden.«
    Elizabeth hörte nicht, daß jemand das Büro betrat. Sie fühlte eine leichte Hand auf ihrer Schulter, nicht Learys schwere Pranke, als er ihr eröffnet hatte, wie ihre Eltern umgekommen waren. Neben ihr stand ein Mädchen mit einem Glas in der Hand. Sie hatte ein nettes, freundliches Gesicht, lockiges braunes Haar und eine beruhigende Stimme.
    »Trinken Sie«, sagte die Stimme. »Dann wird es Ihnen besser gehen.« Elizabeth trank gehorsam, danach wurde sie in Frieden gelassen. Leary begann in seinen Akten zu blättern, die Sekretärin goß den Kaffee ein und ging wieder.
    »Ich möchte nach Hause«, sagte Elizabeth.
    »Ich kann Sie durchaus verstehen«, antwortete Leary. »Aber könnten Sie es vielleicht noch ein paar Minuten aushalten? Ich habe Sie nicht nur hergebeten, um Ihnen das Herz zu brechen, ich brauche Ihre Hilfe. Was würden Sie dazu sagen, daß Eddi King mit den Leuten zusammenarbeitet, die die Bombe gelegt haben?«
    »Ich würde es Ihnen nicht glauben. Ich kann keinem Menschen mehr glauben, ich kann nicht.« Sie brach hilflos ab. Eddi King. Eddi King als Vertrauter von politischen Mördern, kommunistischen Agenten. Das war ein Alptraum, aus dem sie nicht mehr erwachen konnte. Unausdenklich, entsetzlich! Und dieser Mann, der ihr gegenübersaß und die Hände zusammenlegte wie ein Lehrer vor seiner Klasse, dieser Mann konnte einfach nicht wirklich sein.
    »Eddi King ist nicht das, was er zu sein scheint«, sagte Leary. »Wir haben Grund zu der Annahme, daß er Kommunist ist, Mitarbeiter einer internationalen kommunistischen Organisation.«
    »Wie kommen Sie darauf?« Ihre Stimme klang wieder ruhiger. Der Kognak betäubte ihre Nerven ein wenig. Was dieser Mann sagte, klang so kühl, so sachlich.
    »Ich sollte Ihnen das gar nicht sagen, aber ich werde es trotzdem tun, weil ich wirklich dringend auf Ihre Mitarbeit angewiesen bin. King war vor zwei Wochen in Paris. Er traf sich dort unter strengster Geheimhaltung mit einem Kommunistenführer, der für mindestens die Hälfte aller politischen und sonstigen Unruhen in Westeuropa verantwortlich ist. Angefangen hat er als kleiner Agent, indem er Streikbrecher verprügelte und Parteigegner einschüchterte. Dann wurde er befördert. Auf sein Konto gehen eine ganze Reihe von Morden. Inzwischen ist er einer ihrer besten Agenten geworden. Können Sie mir vielleicht erklären, warum King sich heimlich mit ihm traf?«
    »Nein«, sagte Elizabeth. Sie zitterte innerlich und zog den Pelzmantel enger an den Hals. Sie hatte das Gefühl, als ständen im Zimmer sämtliche Fenster offen.
    »Es sieht schlimm aus«, sagte Leary. »So

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