Der Meuchelmord
hast eine hübsche Figur, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Du gefällst mir so, wie du bist, und mußt nur versuchen, genauso zu bleiben.«
»Das tue ich ja«, sagte sie. Sie hatte ein attraktives Lächeln und strahlte damit Huntley an wie mit einem Scheinwerfer. »Für dich tue ich das gern.«
Nach dem Abendessen gingen sie hinunter ins Privatkino, wo Huntley sich die neuesten Filme vorführen ließ. Er war seit fünfundzwanzig Jahren in keinem Kino mehr gewesen. In Freemont wurde immer eine Auswahl der allerbesten Filme in- und ausländischer Produktion gezeigt. Aber er hatte seit vielen Jahren ein Lieblingsstück, das mehrmals im Jahr vorgeführt wurde: ›Vom Winde verweht‹. Dieser Film wurde Huntley niemals langweilig. Für ihn war Vivian Leigh die schönste Frau der Filmbranche. Als ihr Tod bekannt wurde, hatte er sich den überlangen Film ohne eine Pause vorführen lassen, und Elizabeth hatte gehört, wie er weinte.
An diesem Abend wurde ein französischer Kriminalfilm gezeigt, ein weiterer klassischer Streifen, den ihr Onkel sehr liebte. Elizabeth saß neben King. Er gab ihr Feuer und unterhielt sie und Dallas mit ein paar kurzen Bemerkungen. Es war bestimmt das zehntemal, daß sie sich ›Rififi‹ ansehen mußte. Huntley Cameron war ein Mensch, den es nicht störte, wenn die anderen sich langweilten. Er freute sich, und das allein zählte. Glücklicherweise war der Film kurz. Darüber waren alle sehr froh, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen: Huntley brauchte nach dem Essen nur diesen Anreiz, weil er mit Dallas ins Bett gehen wollte; Dallas freute sich, weil sie es wußte, denn er hatte ihr im Dunkeln einmal die Hand aufs Knie gelegt; King war froh, weil er sich zu Tode langweilte und endlich allein sein wollte; und Elizabeth hatte für diesen Abend etwas anderes vor.
Sie ging zuerst nach oben. Bei ihrem Onkel entschuldigte sie sich mit heftigen Kopfschmerzen, gab ihm einen Gutenachtkuß, verabschiedete sich von King und lief in ihr Zimmer hinauf. Ihr Bett war schon aufgeschlagen. Nachthemd, Morgenmantel und Pantoffeln lagen bereit. Sie trat vor den Frisiertisch und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie sah blaß aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen. King hatte sie angelogen – ein weiterer Beweis dafür, daß auch seine angebliche Angst vor einer Mitteilung an Huntley eine Lüge war. Er hatte keine Angst vor Huntley, auch nicht vor seiner Rache. Er fürchtete lediglich, Lügen gestraft zu werden. Das war der eigentliche Grund. Er und Huntley waren gemeinsam in irgendeine Sache verwickelt. Eins stand fest: Was immer sie auch gemeinsam haben mochten, aus welchem Grund sie auch Keller nach Amerika geholt hatten – ihre Motive waren nicht dieselben. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, was dahintersteckte: Sie mußte ihr Versprechen an King brechen. Sie wollte ihren Onkel aufsuchen, sobald sie sicher sein konnte, daß Eddi King schlafen gegangen war.
In ihrem Schlafzimmer am Ende des Korridors zog sich Dallas hastig aus und lief ins Bad. Für ein Vollbad reichte die Zeit nicht. Wenn Huntley sie rief, durfte sie ihn nicht warten lassen. Sie drehte die Dusche auf und trat unter das rauschende Wasser. Als Pedant verlangte er von einer Frau dieselbe Sauberkeit und Perfektion wie in seinem Geschäft und in seinem Haus. Dallas wurde zweimal in der Woche massiert, manikürt, pedikürt, eingeölt und konserviert wie die Lieblingsfrau eines Sultans. Der einzige Unterschied bestand darin, daß Huntley sie seit drei Monaten nicht mehr angerührt hatte.
Sie trocknete sich rasch ab, trat vor den hohen Spiegel im Schlafzimmer, ließ das Handtuch fallen und reckte die Arme hoch, um ihre Brüste zu straffen. Sie sah gut aus: Die Sonne hatte ihren Körper goldbraun getönt. Ein schmaler weißer Streifen lief über ihre Hüften, wo der winzige Bikini sie vor der Sonne Floridas geschützt hatte. Ihre Brüste hatte sie mit einer Höhensonne nachgetönt. Sie ging zu dem Tischchen mit ihren Kosmetiksachen. Fläschchen und Töpfchen waren in einer Reihe aufgestellt wie Soldaten. Rings um den Spiegel waren grelle Lampen montiert, die ihr Gesicht in gnadenlose Helligkeit tauchten. Sie nahm das Parfüm, das er am meisten liebte, einen kräftigen, provozierenden Blumenduft, tupfte sich einen Tropfen davon in die rechte Handfläche und begann sich zu massieren. Dann puderte sie ihr Gesicht, biß sich in die Lippen, um ihnen etwas mehr Farbe zu verleihen, weil er Lippenstift nicht mochte, und hüllte sich
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