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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Instruktionen. Er konnte stehlen, was immer er wollte, damit alles wie ein Raubmord aussah.
    Vor der Tür hielt er lauschend inne. Er hatte zwei Tage damit verbracht, das Haus genau zu beobachten, und kannte das Mädchen; er wußte, daß kein Mann bei ihr war. Trotzdem war es ja möglich, daß sie nachts von einem Hausbewohner aufgesucht wurde. Er beugte sich vor und legte das Ohr lauschend an die Türfüllung. Aber er hörte nichts. Wenn sie wirklich allein war, konnte er sie erdrosseln und fünf Minuten später wieder draußen auf der Straße sein. War jemand bei ihr, mußte er in der nächsten Nacht wiederkommen und immer wieder, bis er sie einmal allein antraf.
    Er drückte die Klinke nieder, aber die Tür gab nicht nach. Keller hatte Souha angewiesen, nachts immer abzuschließen. Sie hatte ihr ganzes Leben noch nie hinter einer verschlossenen Tür geschlafen, aber da er es ihr befohlen hatte, gehorchte sie natürlich. Der Mann draußen versuchte es noch einmal, weil er hoffte, daß die Tür vielleicht nur klemmte, aber sie war wirklich versperrt. Er wickelte seine mörderische Kordel zusammen und schob sie in die Tasche. Dann verfluchte er sein Opfer auf arabisch und schlich so leise die Treppe hinunter, wie er heraufgekommen war. Er mußte seine Taktik ändern. Es war schade und ließ alles noch gefährlicher werden. Der Himmel wurde bereits hell, und am Horizont kündigten die ersten roten und goldenen Streifen über dem Meer den nahen Sonnenaufgang an. Der Mann schlenderte auf die Uferstraße zu und wickelte zum Schutz gegen den scharfen Wind seine Jellaba enger um sich. Er hatte Hunger, und bis zu dem ärmlichen Flüchtlingslager, in dem er mit seiner Familie hauste, war es eine Stunde Fußweg. Die Enttäuschung verbitterte ihn. Er hatte ein Dutzend Menschen zu ernähren und den windschiefen Schuppen gegen andere Flüchtlinge zu verteidigen, die ohne Dach über dem Kopf waren. Diese Frau hätte längst tot sein müssen. Er beschloß, einen Tag zu warten und am nächsten Morgen frühzeitig wiederzukommen.
    Als es an Huntleys Tür klopfte, saß Dallas auf seinem Schoß. Er war bester Laune, das zeigte sich darin, daß er es diesmal gar nicht eilig hatte. Und dann dieses Klopfen!
    Dallas traute ihren Ohren nicht. Auch Huntley horchte auf. Es war Mitternacht, und um diese Zeit wagte es sonst niemand, ihn zu stören, ohne vorher über das Haustelefon anzurufen.
    Er versetzte ihr einen leichten Stoß. »Geh mal nachsehen, wer das ist.«
    Wenn das einer von den verdammten Dienstboten ist, schwor sich Dallas, vielleicht dieser aufgedunsene Butler, dann krieg' ich den Alten so weit, daß er das ganze Pack hinausschmeißt. Ich werde sie lehren, mitten in der Nacht hereinzuplatzen, wenn gerade alles so schön läuft …
    »Tut mir leid, daß ich störe, Dallas, aber ich muß meinen Onkel sprechen.«
    Sie war so überrascht von Elizabeths Anblick, daß sie vergaß, die Tür zu schließen. »Er ist müde«, flüsterte sie. »Heute abend will er außer mir niemanden mehr sehen. Geh wieder, mein Schatz, bitte, tu mir den Gefallen.«
    »Was zum Teufel machst du da an der Tür?« rief Huntley laut. »Wer ist denn da?«
    Dallas wagte es nicht, ihn anzulügen. »Es ist Elizabeth, Liebling. Sie möchte dich sprechen.«
    Für diese Nacht waren alle Chancen dahin. Sie wußte genau, was er tun würde, sobald sie seine Nichte hereingelassen hatte. Die Tränen schossen ihr aus den Augen.
    »Hau ab«, sagte Huntley nur. So waren die Männer ihr ganzes Leben lang mit ihr umgesprungen: Komm her, Baby; leg dich hin, Baby; nun, laß mich schon, Baby – okay, hau ab. Sie sah Huntley nicht an, sie sah nur Elizabeth, die vielleicht für Monate jede Chance verdorben hatte, ihm nahezukommen. Dann ging sie und schloß die Tür hinter sich.
    »Ich störe wirklich ungern«, sagte Elizabeth. »Und die arme Dallas tut mir leid. Sie hat sich wohl furchtbar aufgeregt.«
    »Zum Teufel mit ihr. Komm her und setz dich.«
    Sie trat langsam auf ihn zu und wußte nicht recht, wie sie es anfangen sollte. Er sah sehr alt aus, wie er in seinem Hausmantel dasaß, und dann fiel ihr wieder ein, wobei sie ihn gestört hatte. Sie hatte noch dieses verächtliche ›hau ab‹ in den Ohren. Und zu Eddi King hatte sie gesagt: »Ich mag ihn.« War das nicht ein Selbstbetrug? Wie kam es nur, daß Tyrannen es immer wieder fertigbrachten, andere Leute so weit zu treiben, daß sie auch noch glaubten, ihr angstvolles Schmeicheln hätte irgend etwas mit Zuneigung zu tun?

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