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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Gerät begann zu summen, der Bildschirm wurde hell.
    »Empfang müßte okay sein«, sagte er. Er drehte an einem Knopf, bis Musik ertönte.
    »Die alten Mauern haben überall Ohren.« Er richtete sich auf und sah Keller an. »Aber jetzt können wir uns wohl ungestört unterhalten. Wollen Sie eine?« Er hielt Keller seine Zigarettenpackung hin, aber Keller schüttelte den Kopf.
    Er sah Kellers mißtrauischen Blick und die muskulösen Hände, die bereit waren, im nächsten Augenblick zuzupacken. »Nur nicht aufregen«, sagte er, zündete seine Zigarette an und verschluckte den Rauch. »Sie machen mich nervös. Ich habe eine Anweisung für Sie. Da, lesen Sie.«
    Er warf Keller einen Briefumschlag zu. Der fing ihn auf, ohne zu antworten. Mit einem letzten Blick auf den Monteur setzte er sich auf die Bettkante und riß den Umschlag auf. Er enthielt ein einziges Blatt Papier, das den handgezeichneten Plan eines sehr großen Gebäudes zeigte. Nachdenklich und angespannt betrachtete Keller die Zeichnung eine Weile.
    »Was soll das?«
    »Die St.-Patricks-Kathedrale auf der Madison Avenue.« Der Mann war Mitte Dreißig, kräftig gebaut, mit dunklen Augen und derben Gesichtszügen. Wie bei so vielen Amerikanern war seine Herkunft nur schwer zu erraten. Er rauchte in hastigen Zügen, verschluckte den Rauch und blies ihn wie eine Dampfmaschine durch die Nase heraus. Dabei musterte er Keller kühl und abschätzend, grob und nervös. Er war anders als die Leute, mit denen er sonst zu tun hatte. Es waren zwar dieselben gespannten Bewegungen und der kalte, schlangengleiche Blick wie bei anderen Berufskillern, aber es kam noch eine physische Härte hinzu, die man bei bezahlten Mördern sonst nicht fand. Manche der Profis waren arme blasse Ratten aus den Slums.
    Dieser Mann konnte einem mit bloßen Händen das Genick brechen, wenn er wollte. Er gehörte einer anderen Gattung an als die Kopfjäger, die an der unteren East Side von New York ausgebrütet wurden. Zu diesem Schluß gelangte der Monteur in den wenigen Sekunden, als Keller die Zeichnung studierte. Er hatte es in seiner Organisation zu etwas gebracht. Zwei Jahre Vietnam hatten ihn Disziplin und rasches Denken gelehrt. Er war ehrgeizig und intelligent, und als er nach der Heimkehr zur Unterwelt stieß, hatte er dabei mehr im Sinn als kleine Diebereien und Leibwächterjobs. Die überließ er gern anderen. Wenn etwas Besonderes organisiert werden mußte, wurde er losgeschickt. Und hier handelte es sich wirklich um eine große Sache. Das zeigten schon die Summen, die bisher hineingesteckt worden waren. Daß man dafür einen Ausländer importierte, beseitigte jeden Zweifel am beruflichen Können. Das war nichts für ihn – ganz bestimmt nicht jetzt, wo er das Opfer kannte.
    Keller deutete auf einige rote Punkte auf der einen Seite der Zeichnung und einen Kreis um einen Gegenstand dicht an der Wand.
    »Das müssen Sie mir erklären. Drehen Sie das Ding leiser. Er kann uns ohnehin nicht hören, aber ich verstehe Sie auch nicht. Was bedeuten diese Zeichen?«
    Der Mann setzte sich neben ihn auf die Bettkante. »Sehen Sie, das ist nur eine Art Gedächtnisstütze. Ihr Operationsgebiet, die Kathedrale. Das hier ist das Kirchenschiff, klar? Da links verläuft der Seitengang. Am Hochaltar vorbei kommen Sie bis zu der Stelle, wo der Kreis steht, klar?«
    »Und was ist das?«
    »Ein spezieller Beichtstuhl für Taube. Er wird nicht mehr benutzt. Dann gehen Sie 'rüber bis zum Anbau an der 50. Straße. Verstehen Sie?«
    Keller gab ihm keine Antwort. Die dumme Frage in jedem Satz ärgerte ihn genauso wie der singende Dialekt des Hausmeisters.
    »Diese Punkte zeigen, wo Ihr Ziel hereinkommt und wieder hinausgeht.«
    Keller wandte den Kopf und sah ihm in die unergründlichen Augen. »Und wer ist das Ziel?«
    »Haben Sie etwa Skrupel, wen Sie abknallen?« Diese freundschaftliche Frage wurde im gleichen Ton gestellt, wie man sich nach einer bevorzugten Biermarke erkundigt.
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte Keller. »Ich werde bezahlt und will genau wissen, was ich zu tun habe. Wenn Sie es wissen, dann sagen Sie es mir.«
    »Am Montag ist St. Patrick's Day. Der wird hier groß gefeiert. Alle Iren in Amerika greifen zur Schnapsflasche und werden bis zum 18. März nicht mehr nüchtern. Aber sie fangen mit einem festlichen Gottesdienst und einem Umzug an. Sie interessiert nur der Gottesdienst. Er wird hier in der Kathedrale abgehalten. Auch Ihr Ziel wird da sein. Er kommt da durch die Tür neben dem

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