Der Meuchelmord
doch bei so etwas immer Handschuhe, wie? Ich hab' Ihnen welche mitgebracht.« Er zog ein Paar weiße Baumwollhandschuhe aus einer Innentasche und legte sie Keller auf die Knie. Der stellte fest, daß sie seine Hand bedeckten, ohne die Beweglichkeit der Finger zu beeinträchtigen.
Die Handschuhe gaben ihm neues Selbstvertrauen. Er war jetzt auch so weit, daß irgend etwas ihn zumindest von der Chance überzeugen mußte, später sein Geld noch ausgeben zu können. Seine Auftraggeber waren beim Organisieren mehr als tüchtig. Diese Berücksichtigung aller Einzelheiten war schon Perfektionismus. Keller sagte sich, daß dieses Projekt zwar unausführbar klang, aber irgendwie doch möglich sein mußte. Von ihrer Seite aus würde nichts schiefgehen. Er mußte sich umziehen, die Pistole aus dem Versteck holen, den Mann niederschießen und verschwinden. Dafür bezahlte man ihm eine enorme Summe. Jetzt, da er die näheren Umstände kannte, verstand er es auch. Aus der Nähe kann jeder einen Mann niederschießen und ihn womöglich sogar mit einem Kopfschuß sicher erledigen. Aber aus einiger Entfernung schaffte das nur ein Fachmann. Der mußte nicht nur ein erstklassiger Schütze sein, sondern auch etwas von den empfindlichsten Teilen des menschlichen Körpers verstehen. Das schwierigste Ziel war ein Kopf, der sich zwischen anderen Köpfen bewegte. Aber er würde dabei ebensowenig schiefgehen lassen wie die anderen. In seinem Ziel durfte er nicht ein menschliches Wesen sehen, den leidenschaftlichen Priester der Armen, den er auf Elizabeths Fernsehschirm zum erstenmal gesehen hatte. Er hatte sich längst vorgenommen, keinen Gedanken daran zu verschwenden, wen er erschießen sollte. Der Gangster neben ihm hatte nichts davon bemerkt, daß Keller zunächst bei dem Gedanken erschrocken war, daß es sich um Kardinal Regazzi handelte. Und jetzt dachte er nur noch an die technische Ausführung des Attentats. Insbesondere interessierte ihn alles, was mit seiner Flucht zusammenhing.
»Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.« Der Mann stand auf und stellte eine Werkzeugtasche auf das Bett. Er öffnete sie. Außer einem dicken Paket war nichts darin. »Hier haben Sie die erste Hälfte – fünfundzwanzigtausend Dollar. Den Rest kriegen Sie am Montag, wenn Sie wieder herkommen.«
»Und wann verlasse ich Amerika?«
»Sobald sich die Gemüter beruhigt haben«, sagte der Mann. »Sie bleiben hier, bis Ihnen jemand weitere Anweisungen erteilt. Verstehen Sie? Sie können ja Ihr Geld zählen, wenn Ihnen das Ding da langweilig wird.« Er deutete auf den Fernseher. »Mit diesem Modell haben Sie einen prima Empfang; ich habe selbst eins davon zu Hause«, fuhr er fort. »Sie sollten sich heute morgen einmal die Kathedrale ansehen. Den Grundriß und Ihren Weg zu dem Beichtstuhl einprägen. Aber gehen Sie nicht hinein. Knien Sie nieder, beten Sie und prägen Sie sich alles genau ein: den Beichtstuhl, den Weg in die Sakristei, Ihre Tür hinaus zur 51. Straße. Das müssen Sie wissen und sonst gar nichts. Verstehen Sie?«
»Ich verstehe«, antwortete Keller. Er stand auf und riß das Packpapier an der Ecke auf. Darunter lagen in sauberen Bündeln Hundertdollarscheine, von breiten Papierstreifen zusammengehalten.
»Glauben Sie mir nicht?« fragte der Mann feixend.
»Nein«, sagte Keller. Er packte das Geld aus und legte es nebeneinander. Als der andere ging, hob er nur kurz den Kopf.
Fünfundzwanzigtausend Dollar, und das war nur die Hälfte. Er spielte mit den Geldbündeln und ließ sie durch die Finger schnurren wie Spielkarten. Soviel Geld hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Damit konnte er sich einen neuen Namen, eine neue Existenz kaufen. Für sich und für Souha. Plötzlich dachte er wieder an sie. Sie gehörte genauso zu diesem Handel wie das Geld und das Attentat. Auch für sie mußte es einen neuen Anfang bedeuten. An diese andere Frau durfte er ebensowenig denken wie an den Mann, der mit seinem Leben für die Erfüllung all dieser Träume bezahlen sollte. Er strich das Bild Elizabeth Camerons aus seinem Gedächtnis und schlug sein eigenes Gewissen k.o. bevor es ihm aus dem Namen Regazzi einen Vorwurf machen konnte. Dann versteckte er das Geld in einer Schublade unter ein paar Hemden, schaltete den Fernseher aus, verließ das Zimmer und schloß hinter sich ab. Der Hausmeister hielt sich im Erdgeschoß auf und fegte mit unwilligem Gesicht den Flur. Er warf Keller nur einen raschen Blick zu und fuhr sich mit der Zunge über die
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