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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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echter Gentleman hatte er die Dame nach Hause gefahren. Sie hatten sich bei einer Privatausstellung in der eleganten Kunstgalerie eines Freundes in der 23. Straße kennengelernt, waren zum Essen gegangen und hatten dann miteinander geschlafen. Sie hatte den ganzen Kopf voll kurzer roter Locken, die zwar lackiert waren, aber so natürlich aussahen, daß er immer wieder damit spielen wollte. Kleine Ursache …
    »Hier Leary«, sagte die Stimme an seinem Ohr. »Bitte, kommen Sie ins Büro, es ist etwas passiert.« Dann legte er auf, bevor Matthews noch Zeit hatte, etwas zu antworten. Was für ein Glück, das der rote Lockenkopf nicht die ganze Nacht bleiben wollte.
    Innerhalb von zehn Minuten war er fertig angezogen und auf dem Weg in die City. Am Times Square zeigte die Uhr fast auf halb drei.
    Leary saß in seinem Büro, hatte die Jalousien heruntergezogen und alle Lichter eingeschaltet. Vor ihm stand eine dampfende Kaffeetasse.
    »Haben Sie noch gar nicht geschlafen?« fragte Matthews.
    »Nein. Um neun Uhr abends ist eine Meldung eingegangen, und zwar von der Abteilung Nahost. Setzen Sie sich hin und trinken Sie eine Tasse Kaffee. Sie werden es brauchen.«
    »Was ist los?«
    »Auf den ersten Blick sah die Sache gar nicht aufregend aus. In Beirut wurde ein arabisches Mädchen namens Souha Namonlian erdrosselt und beraubt aufgefunden. Das ist in dieser Gegend an sich nichts Ungewöhnliches, nur hatte sie auf der Bank des Libanon ein Guthaben von zehntausend Dollar, hinterlegt von einem Europäer, mit dem sie zusammen lebte. Die Bank erstattete Anzeige bei Interpol, weil sie Rauschgifthandel vermutete. Für ein armes Flüchtlingsmädchen ist das verdammt viel Geld, und ihr Freund war auch nicht astrein: kein fester Arbeitsplatz, kein Geld, und nachdem er die zehntausend Dollar für sie deponiert hatte, verschwand er auch noch. Unser Freund bei Interpol hat die Meldung an uns weitergeleitet, weil Beirut der letzte Hafen war, den Eddi King vor seinem Rendezvous mit Marcel Drouet in Paris angelaufen hatte. Das wäre das eine. Der andere Punkt ist unangenehmer. Trinken Sie ruhig Ihren Kaffee, Pete. Bei Kings Überprüfung haben wir noch etwas gefunden: er flog direkt nach Paris, und einen Tag später reiste Elizabeth Cameron nach New York ab. Ein halbes Dutzend Zeugen am Flughafen Beirut – zum Beispiel der Barmixer und die Stewardeß in der PanAm-Maschine – sagten uns, daß sie in Begleitung eines Mannes reiste. Das hat sie mir verschwiegen. Sie redete über King und alles mögliche, erwähnte aber mit keinem Wort, daß sie sich noch mit einem anderen getroffen oder gar zusammen mit ihm nach Amerika gekommen sei.«
    »Das sieht böse aus«, sagte Matthews betroffen. »Sie hatten wieder einmal recht. Sie sagten gleich, daß Elizabeth etwas verheimliche und daß wahrscheinlich ein Mann dahinterstecke. Als ich anrief, war bestimmt jemand bei ihr. Wir lassen sie beschatten: Sie ist fürs Wochenende nach Freemont gefahren.« Er trank seinen Kaffee aus und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte genauso recht behalten wie Leary. Das Leuchten in ihren Augen war ihm aufgefallen, und er hatte eine spaßhafte Bemerkung darüber gemacht, aber auch nichts aus ihr herausbekommen.
    »Und nun kommt der eigentliche Grund, warum ich Sie geweckt habe«, sagte Leary. »Sehen Sie sich das bitte einmal an.«
    Er schob eine Fernschreibmeldung über den Schreibtisch und lehnte sich zurück, während Matthews sie las. Es war der Bericht über ein Gespräch mit einer Lehrkraft des Wisconsin College, wo Eddi King Anfang der dreißiger Jahre studiert hatte. Im großen und ganzen war es mehr eine Plauderei, langatmig und ungenau in gewissen Details, denn dreißig Jahre sind eine lange Zeit. Der Lehrer war damals noch sehr jung und interessierte sich mehr für die Basketballmannschaft als für wissenschaftliche Leistungen. Genau an dieser Stelle hatte Leary mit seinem dicken Bleistift einen einzelnen Absatz mehrfach angestrichen.
    Der Professor erinnerte sich deshalb so lebhaft an Eddi King, weil dieser zwar vom Basketball begeistert war, aber die Aufnahme in das Team nicht geschafft hatte. Er versuchte mit allen möglichen Übungen ein wenig größer zu werden, aber es hatte keinen Sinn. Mit einem Meter dreiundsiebzig war er für Basketball einfach zu klein. An dieser Stelle endete die Bleistiftmarkierung.
    Matthews hob den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Was soll das?«
    Leary hatte die Augen geschlossen. Man merkte ihm jetzt doch an, daß

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