Der mieseste aller Krieger - Roman
hatte, wenn der Priester auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbeikäme.
Als die Carabineros tags darauf mit ihren Schlagstöcken loszogen, um alle die zu wecken, die ihren Rausch auf dem Platz ausschliefen, begegnete ich der Trini, die ihre Einkäufe erledigen wollte. Sie hatte sich wieder von ihrem scheußlichen Make-up befreit und trug das Haar zum Knoten gestrafft, als ich um die Ecke bog und ihr Gesicht mich unterhalb der Brust traf. Irritiert sah ich zu ihren Füßen herunter.
»Was ist mit deinen Schuhen?«, fragte ich als Erstes.
»Zu Hause. Die Absätze klackern zu laut. In diesen Zeitenist es besser, nicht gehört zu werden. Vergiss nicht, dass ich lange Jahre eine Hure war. So lange, dass ich kaum mehr glauben kann, dass es Sünde ist.«
In Trinis Worten schwang ein rätselhafter Unterton mit, und als ich ihr in die Augen sah, bemerkte ich eine Traurigkeit, die ihr ganzes Gesicht eintrübte. Ich dachte mir, der Grund für diese Traurigkeit sei meine Gegenwart. Wahrscheinlich war ich auch schockiert, sie ungeschminkt zu sehen. Sie wirkte älter.
»Es heißt, die Lage sei brenzlig geworden«, sagte ich.
»Man erzählt sich auch, sie bringen Leute um«, erwiderte sie.
»Es wird so viel erzählt, dass ich gar nicht mehr weiß, was wahr daran ist.«
»Wir sollten fliehen wegen all der Jahre, die wir auf dem Meer der Sünde geschippert sind.«
»Man kann keinem mehr trauen.«
Sie schien das Ende der Welt auf uns zukommen zu sehen, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte sie mich retten.
»Samu, sie holen die Leute nachts aus ihren Häusern.«
Ich nahm ihre Warnung mit Humor.
»Mach es nicht wie der alte Sünder, der es immer schafft, zu leiden und uns mit der Hölle zu ängstigen. Wenn dann das Heer anrückt, um uns nach alter Gewohnheit abzuschlachten, hast du nichts tun können, dann musst du dich opfern, und basta.«
»Samu, man muss in eine Gegend verschwinden, wo einen keiner kennt.«
»Wohin sollten wir schon fliehen?«
»Irgendwohin, Samu. Irgendwohin!«
»Wir haben doch mit Politik nichts zu schaffen.«
»Sie sagen, das sei egal. Das Schlimmste steht uns noch bevor, aber keiner glaubt das, nicht mal der Pfarrer, der alte Dickkopf.«
Obwohl ich so meinen Verdacht hegte hinsichtlich der Ursachen für das Feuer, hatten wir uns die innige Zuneigung bewahrt, die uns in den gemeinsam verbrachten Jahrzehnten immer verbunden hatte. Wohl auch deshalb kehrten wir zu unseren oberflächlichen Scherzen zurück. Wir lachten, um uns wohler zu fühlen. Als ich mich entfernte, fiel mir auf, dass sie einen merkwürdigen Gang hatte, als könnte sie nicht ohne Absätze laufen. Aber ganz sicher dachte ich nicht, dass ich sie nie wiedersehen würde.
Ich war ein Niemand, der mieseste aller Krieger und Kämpfer, nichts weiter, aber diese Vollidioten tauchten dennoch wenige Monate später bei mir zu Hause auf, um mich zu holen. Todmüde von all den Verfolgungen, die sie lustlos und vielleicht nur wegen der versprochenen Gehaltserhöhung erledigten, erschienen Apablazas Männer bewaffnet, als könnte ein alter Mann von neunundsechzig Jahren sich ihnen widersetzen. Und du, mein lieber Cuervo, glaubst wohl, ich hätte Angst gehabt zu sterben, aber du irrst dich. In Wirklichkeit war ich längst tot. Ichbin in dem Moment gestorben, als du nichts für die Tita getan hast, die sich hochschwanger in der Gewalt deiner Leute befand. Ich bin froh, dass du nun meine Stimme hörst, so wie Benito sie wiedergibt. Obwohl ich weiß, dass ich genauso gut gegen die Wand reden könnte, du bist und bleibst eben ein Cuervo. Zum Glück ist Benito so darauf versessen, diese Geschichte zu hören und zu erzählen. Er schenkt mir Gehör, um herauszufinden, wer seine Väter sind, und hilft mir, dass man mich endlich in die Hölle entlässt, das habe ich mir redlich verdient. Amen.
López-Cuervo II erwartete Gott Alzamora bereits im Gesellschaftsklub. Der Sohn des Satans war zunächst nach Iquique versetzt worden und dank der Verdienste, die er im Laufe seiner Karriere angehäuft hatte, wurde er von der Hauptstadt zum Kommandanten eines neuen Zentrums ernannt, wo die Erschießungen stattfinden sollten. Doch in jenen Jahren der Gewalt änderten sich die Befehle ständig. Bevor er erneut nach Paitanás beordert wurde, war er an dem Verhör eines dicken Studenten beteiligt und sah die Elektrogrills, auf denen die Folterungen vorgenommen werden sollten.
Danach fand er keinen Schlaf mehr und musste in Gedanken an seine
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