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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vorbeieilen. Er wollte sie schon zu sich pfeifen, als plötzlich ein Wagen anhielt, aus dem drei Polizisten in Zivil sprangen und sich auf seine Kameraden stürzten. Die waren sogleich in unterschiedliche Richtungen losgerannt, als sie die quietschenden Bremsen hörten. Es gelang den Bullen, den Dickeren der beiden zu schnappen, während weiter vorne bereits ein zweiter Polizeiwagen wartete. Sie knüppelten auf ihn ein, und der Dicke schrie – nicht vor Schmerz, sondern in Panik, wie ein gehetztes Tier. Carmelo hörte die Schreie von der anderen Straßenseite und beschloss, seinen Plan zu ändern.
    Er wartete noch eine ganze Weile, bis die Luft rein war. Dann bedeutete er der Tita mit einem Wink, sie könne herauskommen, die Gefahr sei vorüber. Als sie loslief, bemerkte sie beschämt, dass ihre Hose nass war. Sie wagte kaum, Carmelo ins Gesicht zu sehen.
    »Keine Sorge, Mädchen. Das war der Schreck. Uns allen ist das schon passiert.«
    Sie sagte nichts. Carmelo fragte sie:
    »Wo wohnst du? Ich begleite dich nach Hause.«
    Sie liefen eine Weile nebeneinanderher, und bald hatte die Tita vergessen, dass sie sich vor Angst in die Hose gemacht hatte. Aber sie bekam dennoch kaum ein Wort heraus. Carmelo beschränkte sich darauf, sie weiter auszufragen.
    »Wo gehst du zur Schule? Willst du auf die Universität? Was möchtest du mal werden? War es die erste Demonstration, an der du teilgenommen hast? Wie alt bist du?«
    Tita haderte mit sich selbst, weil sie nur einsilbig, in knappen Sätzen antwortete. Aber sie wollte vor Carmelo auf keinen Fall naiv wirken, ganz besonders nicht vor ihm, diesem kämpferischen jungen Mann. Sie wünschte sich sehnlich, dass er sie wieder bei der Hand nahm, sie umarmte, denn noch nie hatte sie sich so wohl und so beschützt gefühlt. Carmelo seinerseits musste an seinen dicken Freund denken, wollte ihr jedoch nicht sagen, was er mit angesehen hatte. Er wusste, dass sie ihn festgenommen hatten, um ihn zu verhören und herauszufinden, wer seine Freunde und Verbündeten waren. All das ging ihm durch den Kopf, während die Tita einfach nur wollte, dass er ihre Hand nahm und ihr von den Sternen erzählte, die plötzlich am Himmel leuchteten. Kurz bevor sie das Haus erreichten, wo Flor ihre Tochter bereits erwartete, hörten sieein Motorengeräusch. Rasch zog Carmelo seine junge Begleiterin in den Eingang eines riesigen Gebäudes. Dort verharrten sie regungslos, bis sie eine Funkstreife vorbeifahren sahen. Nach einer Weile setzten sie ihren Weg fort, immer dicht an den Häuserwänden entlang, sich möglichst im Schatten haltend, bis ein Hündchen freudig auf sie zugerannt kam. Wenige Schritte vor ihnen fing das Tier plötzlich an zu knurren, zeigte sich angriffslustig. Die Tita rief den Hund mit einem lauten Pfiff zur Ordnung, und Carmelo grinste verstohlen, als der Hund sich daraufhin schwanzwedelnd an ihre nassen Beine schmiegte.
    »Verzeih. Wir sind schon daheim. Wenn du magst, kannst du noch mit reinkommen und was trinken.«
    Aber Carmelo dachte wieder an seinen dicken Freund.
    »Hast du was?«, fragte sie.
    »Nein, nichts. Ich muss nur los.«
    Carmelo kramte in seinen Hosentaschen und holte einen kleinen Anstecker mit dem Siegel der Studentenverbindung hervor, der er angehörte: CONEUCH. Er steckte ihn ihr an die Jacke. Sie bekam eine Gänsehaut, als seine Hände ihren Körper berührten. Dann schlug er das Revers über den Anstecker und strich noch einmal darüber, um sicherzugehen, dass die Nadel auch vollständig verdeckt war.
    »Pass gut auf, dass es niemand sieht, sonst lassen sie dich nicht mehr in Ruhe«, riet er ihr.
    Sie nickte nur.
    »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder«, sagte er lächelndzum Abschied und eilte, den Rucksack geschultert, davon. Er musste dringend mit einer Kommilitonin reden. Doch Tita, die von alldem nichts ahnte, blickte ihm verträumt noch eine ganze Weile nach, bis er in den Straßen von Iquique verschwand.

Paitanás, Oktober 1973
    Mit dem Sonnenaufgang schwoll der Lärm auf der Straße an. Gehetzte Schritte der Männer von López-Cuervo II, Motorräder mit frisiertem Auspuff, vorbeidonnernde Lastwagen, die die Fensterscheiben in Alzamoras Zimmer erzittern ließen. Der Priester hatte die ganze Nacht über kein Auge zugetan, die Trini betrachtete ihn nachdenklich, seinen behaarten Hals, seinen von unterdrückten Wehklagen geschüttelten Körper. Sie war bereit, weiter für ihn zu sorgen, für seine schwachen Bedürfnisse des Nachts, wenn nicht irgendein

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