Der mieseste aller Krieger - Roman
sich nur noch, in seinen Geburtsort La Serena zurückzukehren, um sich dort bei Sonnenuntergang an das Ufer des Elqui-Flusses zu setzen. Es sich unter irgendeinem Blätterdach bequem zu machen, Pipeño oder Pisco mit Zitrone zu trinken und der Erinnerung an seinen Wagemut zu frönen, als er die Kämpfer mit den Dynamitpatronen in der Faust aufgehalten hatte, oder an andere Anekdoten, die er sich ausdenken würde, um sich wie ein Held zu fühlen, dem die Freunde anerkennend auf die Schulter klopfen. Den Begriff der Reue fand er abgeschmackt. Deswegen und weil er wusste, was im Land vor sich ging, war Gott Alzamora es allemal leid, Zustände wie in Sodom und Gomorrha zu prophezeien, diese Scheißjansenisten, die mit ihren Zitaten aus dem Evangelium das Militärregime rechtfertigten. Denn mit López-Cuervo II gab er alles verloren.
»Trinidad, wir müssen von hier verschwinden, es stehen schwere Zeiten bevor, und ich möchte die Soutane ablegen und dich heiraten.«
Sein unverhoffter Vorschlag ließ sie verstummen. Sie war nervös.
»Ich meine es ernst. Bist du einverstanden?«
»Natürlich bin ich einverstanden«, sagte sie, immer noch ungläubig, wobei sich ein Grübchen auf ihrer rechten Wange bildete und ihre Augen aufleuchteten. Doch dann rannen ihr Tränen über die Wangen, und es wurde still.
»Schluss mit dem ganzen Unsinn«, fuhr der Priester fort und versuchte die Bilder von jenseits des Stacheldrahtsmit einer Handbewegung fortzuwischen. »Die Lektüren biblischer Gelassenheit reichen nicht mehr für diese Mütter, die sterben werden, ohne zu wissen, wo ihre Söhne sind.« Und dann sagte er noch: »In La Serena habe ich Familie. Mit meinen jüngeren Geschwistern, Freirina und Erasmo, wirst du sicher Freundschaft schließen, denn sie lieben Bier und lange Nächte.«
»Dann ist ja alles perfekt!«, rief die Trini.
Sie wollte gleich ihre Siebensachen zusammenpacken, all ihre Tübchen und Tiegel und ihre feine, glanzvolle Abendgarderobe, doch der Priester drängte sie, nur das Nötigste mitzunehmen. Im Innenhof vor dem hohen Portal, das in den hinteren Teil der Kirche führte, stand schon der Wagen mit zwei Pferden bereit. Ein paar Männer verkündeten, die beiden Treiber kämen aus La Serena. Der Priester hatte den Mahagoninachttisch mit der Marmorplatte, der neben seinem Bett stand, eine Silberschüssel, zwei Einmachgläser mit Milchpulver, den alten Spiegel mit dem schmiedeeisernen Rahmen und eine Truhe aus massivem Pinienholz aufgeladen. Man munkelte, diese Truhe habe die gesamten in seinen Jahren als Priester zusammengetragenen Reichtümer enthalten. Andere behaupteten, das Geld in der Truhe habe der Trini gehört, es seien ihre Ersparnisse aus jahrzehntelangen Diensten im Arche gewesen.
Doch egal, wie dieser Teil der Geschichte lauten mag, sicher ist, dass die Furcht vor López-Cuervo II den Priester zu seinem Entschluss brachte, die Trini zu heiraten.
Am ersten Sonntag jenes Monats kam Gott Alzamora zu spät zur Messe. Er hatte weiche Knie und schwitzte mehr als an dem Tag, als er die Tita und die nach Rache für den Tod des Minenarbeiters dürstenden Männer mit dem Dynamit begleitet hatte. Unaufhörlich wischte er sich mit seinem Taschentuch über die Glatze. Der Messdiener Miguelito fand ihn seltsam.
»Ist irgendwas mit Ihnen?«
»Nichts, mein Sohn, nichts. Gehen wir hinaus.«
Doch seine Stimme klang nicht so voll während der Predigt, und als er den Leib und das Blut Christi segnete, dachte Miguelito, Alzamora würde den Wein aus dem Kelch noch verschütten, so sehr zitterten ihm die Hände bei dem Gedanken, López-Cuervo II könnte mit seinen Männern hereinplatzen.
»Sicher, sicher«, sagte ich zu deiner Großmutter Flor. »Es ist besser, zu schweigen und abzuwarten. Den Mund zu halten. Soll Alzamora doch so rasch wie möglich seine Sachen packen und sich in seine Heimat am Elqui absetzen. Wir werden in aller Ruhe daheim der Dinge harren, die kommen mögen. Wir verbarrikadieren die Tür, ohne Verdacht zu erregen, jawohl.«
Außerhalb der Kirche prallte die Sonne mit erbarmungsloser Hitze herab. Die Tita lief mit ihrem Poncho umher, den meine Flor gewebt hatte. Sie schwenkte ihn mit ausgebreiteten Armen wie Flügel und sog den Duft der welken Rosen ein. Dann tauchte sie in den Lärm des Straßenfestes ein, drehte sich zur Musik, immer schneller.Der Trompeter legte sein Instrument beiseite, ging zu dem Trommler, nahm den Schlägel und schlug damit so heftig, als wollte er ihn zerschmettern.
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