Der mieseste aller Krieger - Roman
Wüstenberge waren die besten Propagandatafeln. Anschließend stellten sie Tiegel mit in Petroleum getränkterPutzwolle auf die Steine, die würden sie, sobald die Nacht hereinbrach, mit Fackeln anzünden, damit auch wirklich alle Bewohner der Gegend den Namen »Allende!« oder die Parolen »Viva Cuba!« und »Kosten runter!« lesen konnten. Doch kaum leuchteten die weißen Steine, ahnte die Polizei, dass es hier doch um mehr als um einen Jungenstreich ging, und beschloss, dem Spektakel ein Ende zu setzen.
Als die kubanische Revolution noch nicht gesiegt hatte und man wusste, dass sich unter den Guerillakämpfern ein Argentinier befand, beschlossen Carmelo und seine Kameraden, nach Kuba aufzubrechen, um die Revolution zu unterstützen. Sie hatten vor, sich auf einem der Klipper, die über den Panamakanal Salpeter in die Vereinigten Staaten transportierten, bis zur Sierra Maestra durchzuschlagen. Wie konnte es sein, dass ein Argentinier am Kampf teilnahm, aber kein Chilene! Eine Aufforderung, die von Carmelos dickem Freund stammte, für die er mit hochroten Wangen Stimmung machte. Doch alles blieb bei guten Vorsätzen. Wie es scheint, brachte ein anderer Kommilitone sie mit dem Argument wieder von dieser Idee ab, die beste Unterstützung, die Kuba bekommen könne, sei die aus dem Ausland. Und letztlich wog wohl doch ein anderes Problem vor der eigenen Haustür schwerer, nämlich, dass die Studenten nicht über die nötigen Mittel für eine Reise in die Hauptstadt verfügten, um ihr Studium abzuschließen.
»Wir sollten die Universitätszentrale besetzen«, sagte einer.
»Wir müssen auf friedliche Art Druck ausüben«, erwiderte Carmelo.
»Wenn wir uns nicht auf drastische Weise bemerkbar machen, werden sie unseren Forderungen nie Gehör schenken.«
»Lasst uns erst einmal die Antwort des Rektors aus der Hauptstadt abwarten.«
»Wir warten schon seit Wochen. Ich glaube, er hat deinen Brief gar nicht gelesen.«
Alle schauten sich an, als läge die Zukunft des nationalen Ausbildungswesens in ihren Händen. Ich wünschte, du hättest deinen Vater in Aktion sehen können, Benito! Wie er die feurigen Botschaften mit seiner Kamera aufnahm. Er redete in einem sehr vernünftigen Ton, verschluckte nie auch nur eine Silbe, sprach alle Wörter vollständig aus, wobei er gerne auch mal solche benutzte, die noch nie einer gehört hatte. Und dabei blickte er einem so fest in die Augen, dass er alle in seinen Bann zog. Diese schwarzen Augen gingen einem durch und durch, die gleichen schwarzen Augen, die du jeden Morgen im Spiegel siehst, Benito, und die dich so oft durchbohrt haben, wenn du dich fragtest, von wem du sie wohl geerbt hattest.
Indes herrschte nicht nur unter den Studenten eine aufgeheizte Stimmung, sondern auch bei den einfachen Leuten, die gegen die Erhöhung der Brotpreise protestierten. Die Tita hatte sich inzwischen in den Kopf gesetzt, dass es wichtiger sei, sich für die Benachteiligten einzusetzen, als Schulkinder zu unterrichten. So ließ sie, während sieCarmelo bei seinen Aktivitäten begleitete, einige Jahre untätig verstreichen. Und Flor musste zusehen, wie sie ein Jahr nach dem anderen vergeudete, ohne etwas Nutzbringendes zu tun.
»Du wirst zu nicht mehr taugen, als im Arche den Betrunkenen ihren Schnaps zu servieren. So wirst du noch enden«, schimpfte sie.
Natürlich bekümmerten die Tita derlei Warnungen kaum. Erst als ihr klar wurde, dass sie ein Studium brauchte, um etwas gegen das Unrecht zu tun, reagierte sie. Sie wandte sich an Miriam, eine Schulkameradin vom Gymnasium, die seit einem Jahr in Santiago Jura studierte. Das Semester war schon halb vorbei, und auf Miriams Rat hin beschloss die Tita, es mit Römischem Recht zu probieren. Die beiden diskutierten stundenlang, ohne dass sie merkten, wie die Zeit verging, bis Carmelo mit weißverschmierten Händen in ihr Gespräch hereinplatzte. Er kehrte hochzufrieden von der Aktion mit den Buchstaben aus gekalkten Steinen zurück.
»Diesmal können sie nichts mit ihren Pferdehufen niedertrampeln«, verkündete er voller Stolz.
Die Tita erzählte ihm von ihrer Idee, die Aufnahmeprüfung für das Studium abzulegen, und zu dritt diskutierten sie weiter über Möglichkeiten, die Kursangebote in die nördlichen Regionen Chiles auszuweiten. Etwa, dass man die Infrastruktur der Universität in Iquique ausweiten müsste, doch dieses Vorhaben wurde seit Jahren hintertrieben.
Miriam schenkte Carmelo bewundernde Blicke. Die Tita sagte, nur mit
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