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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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daraufschmieren konnten. Das schürte jedoch nur den Erfindungsgeist der Jungs, die nun mit leeren Eimern in die Berge gingen, wohl wissend, dass die Carabineros sie die ganze Zeit im Auge behielten, während andere Maleraktivisten an anderer Stelle die Anhöhe erklommen und zur Tat schritten. Am stärksten überwachte man Carmelo, da bekannt war, dass er eine führende Rolle bei den Aktionen in den Bergen spielte. Miriam war insofern an der Sache beteiligt, als sie an den Tagen, wenn sie aus Santiago anreiste, für den Informationsaustausch zuständig war, was sie mit ihren Besuchen bei der Tita verband – wobei sie der Freundin bewusst verschwieg, dass sie Zettelbotschaften zwischen Santiago und Iquique vermittelte.
    Miriams türkische Familie war unangefochten und wohlhabend, weshalb sie es sich leisten konnte, dem Mädchen alle vierzehn Tage die Heimreise zu bezahlen. Sie muss wohl eine gute Ausrede gehabt haben, um regelmäßig die eintausendachthundertfünfzig Kilometer in den Norden des Landes zu reisen. Sie traf Carmelo an einer Straßenecke, und am nächsten Tag prangte in strahlendem Weiß eine Parole oben auf dem Berg. Doch eines Tages erschien Miriam nicht zur vereinbarten Zeit am Treffpunkt. Entweder hatten ihre Eltern ihr kein Geld für die Fahrt geschickt,oder etwas anderes war passiert. Auf dem Heimweg überlegte Carmelo, wie wichtig die Nachricht gewesen sein könnte, die sie ihm übergeben sollte, und machte sich Sorgen. Am Nachmittag verließ er das Haus wieder und ging zu einem Freund, wo er bis zur Dämmerung blieb. Gegen Mitternacht wunderten sich die wachhabenden Carabineros, dass Carmelo sich nicht mehr blicken ließ, und beschlossen nachzusehen. Als sie klingelten, öffnete der Hausherr, der Vater von Carmelos dickem Freund.
    »Ich kann Ihnen nur sagen, dass der Junge das Haus schon vor Stunden verlassen hat. Er war eine Weile hier bei meinem Sohn und ist dann wieder gegangen.«
    Die Carabineros sahen sich an.
    »Aber kommen Sie doch herein und durchsuchen das Haus, wenn Sie wollen«, forderte der Mann sie auf, als er das Misstrauen der Polizisten bemerkte. Doch die beiden Carabineros lehnten das Angebot ab.
    Carmelo atmete erleichtert auf. Bis zum Morgengrauen hielt er sich im Haus seines Freundes versteckt und machte sich dann mit seiner Malertruppe auf den Weg. Sie verließen die Stadt über die Landstraße und ordneten auf einer Anhöhe gemeinsam die Steine an, bis sie die Parole »Universität für die Armen« ergaben. Wie üblich schlug jeder einen anderen Heimweg ein. Als Carmelo an einem Grundstück voller verrosteter Geräte und zerschlitzter Reifen vorbeikam, fingen ihn zwei Carabineros ab. In aller Ruhe zog Carmelo sich das Gummiband aus demHaar, glättete seine Mähne und band sie wieder zusammen.
    »Hübsch, dein Pferdeschwanz«, sagte der eine.
    »Ich nehme an, du bist gerade auf der Suche nach deinem Pflug«, bemerkte der andere.
    Die beiden Polizisten stiegen von ihren Pferden ab und fesselten ihm die Handgelenke mit einem Seil. Flor hörte davon, weil man im ganzen Dorf darüber tuschelte, doch sie setzte alles daran, dass die Tita nichts erfuhr. Sie war nämlich gerade dabei, ihre Koffer für die Reise nach Santiago zu packen, wo sie die Aufnahmeprüfung für die Universität ablegen sollte. Obwohl sie sich unbedingt noch von Carmelo verabschieden wollte, gelang es meiner Flor, sie davon zu überzeugen, dass es zu sehr ablenken würde, wenn sie ihn sähe. Als Flor und Tita später in Santiago ankamen, folgten sie dem Weg, den Miriam ihnen auf einem Stadtplan eingezeichnet hatte. Schließlich erreichten sie das Universitätsgebäude, fragten sich zum Sekretariat durch und erkundigten sich dort nach dem Raum, in dem die Aufnahmeprüfung stattfinden sollte. Etwas widerwillig holte die zuständige Dame eine Liste hervor, legte sie auf den Tresen und fragte Tita lustlos nach ihrem Namen.
    »Carmen Ofelia Vicentelo«, sagte die Tita.
    Die Frau ging mit dem Finger die Namensliste durch, biss sich auf die Unterlippe, wobei ihr die Brille fast von der Nase rutschte, und sagte dann: »Hier steht niemand mit diesem Namen drauf.«
    »Wie bitte? Schauen Sie noch einmal genau nach, der Name muss dort stehen«, rief Flor aufgebracht.
    Die Frau ging noch einmal die Liste durch und kam zu demselben Ergebnis: Der Name war nirgends verzeichnet. Die Tita wurde nervös, und Flor insistierte, doch der Name blieb unauffindbar.
    Am selben Abend erlitt Carmelo in der trockenen Luft Platzwunden an

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