Der mieseste aller Krieger - Roman
Lippen und Stirn. Als die Carabineros ihn nach Iquique zurückbrachten, hatten sie den grandiosen Einfall, ihm eine lange Holzlatte quer über die Schultern zu legen und ihm wie einem Gekreuzigten die Handgelenke an beiden Enden festzubinden. So schleiften sie ihn hinter sich her, damit alle Leute den Übeltäter sahen, der sie mit einem geschulterten Pflug an der Nase herumgeführt hatte. Ein paar alte Pampinos, die sie vorbeireiten sahen, prangerten die Brutalität der Carabineros an. Carmelo schluckte schwer und befeuchtete sich den staubtrockenen Mund, um wieder und wieder seine Stimme zu erheben. Er würde nicht aufgeben, bis die Verantwortlichen seinen Vorschlag, die Kurse auszuweiten, erhörten. Es war angenehm, zu protestieren. Der Klang seiner Stimme verschaffte ihm Befriedigung. Jedes Wort hallte wie ein Echo in seinem Kopf nach. Auch noch, als sie ihn auf dem Kommissariat verprügelten und das Licht vor seinen Augen zu einem unförmigen Fleck verschwamm. Später brachten sie ihn mit gebrochenen Rippen nach Hause, wo er Blut spuckte.
Kaum aus Santiago zurückgekehrt, lief die Tita gleichzu ihm, um Trost zu suchen. Sie wollte ihm alles erzählen, was in der Hauptstadt geschehen war, doch als sie das verstörte Gesicht seiner Mutter sah, vergaß sie sofort ihre eigenen Probleme und rannte zu ihm aufs Zimmer. Dort lag er im Bett mit mehreren Kissen im Rücken, wegen der Rippenbrüche musste er sich aufrecht halten. Seine Mutter hatte ihm die Haarsträhne aus der Stirn gestrichen, um seine Wunden zu behandeln, so dass sein blaues Auge und die genähte Augenbraue sofort zu sehen waren.
»Wer hat dir das angetan?«, wollte Tita wissen.
»Berufsrisiko«, scherzte Carmelo. Die aufgeplatzten Lippen schmerzten ihn, als er lachen wollte.
»Was ist passiert? Habt ihr die Universität gestürmt?«, fragte die Tita aufgewühlt.
Carmelo erzählte ihr, was vorgefallen war, und die Tita sagte, er sei ein Sturkopf, das sei nur geschehen, weil er die Besetzung der Universität hinausgezögert habe, eine friedliche Lösung sei mit diesen Unterdrückern unmöglich. Carmelo nippte stumm an einem Glas Wasser und erkundigte sich nach ihrer Prüfung.
»Die hat gar nicht stattgefunden«, erwiderte sie düster.
»Warum nicht?«
In dem Moment klingelte es an der Haustür, und in der nächsten Sekunde steckte Miriam ihren Kopf in die Tür. Zwei feine Zöpfe wanden sich von den Schläfen wie ein schmaler Gürtel um ihren Kopf, und der süße Duft ihres Parfüms erfüllte den Raum. Überschwänglich wollte Miriam den Verletzten mit einer Schachtel Pralinenbegrüßen, als Tita wie ein fauchendes Tier dazwischenging.
»Du verfluchtes Miststück!«
Miriam schluckte schwer, und Carmelo verstand nicht, warum deine Mutter so wütend war.
»Guck nicht so, als könntest du kein Wässerchen trüben, du hast mich ganz schön hereingelegt.«
»Aber, Tita, was ist denn los?«, fragte Carmelo.
»Sie hat mich betrogen. Weder in der Universität hat sie mich angemeldet, noch hat sie die Prüfungsgebühr bezahlt. Ich musste gestern wie ein geprügelter Hund wieder aus Santiago abreisen«, rief die Tita aufgebracht.
»Das stimmt nicht. Ich habe dich angemeldet«, verteidigte sich Miriam.
»Du leugnest es auch noch, du verfluchtes Miststück? Ich selbst habe doch die Anmeldungsliste gesehen, und da stand nirgendwo mein Name! Willst du behaupten, ich hätte nicht richtig nachgeschaut?«
»Was kann ich denn dafür, wenn die sich geirrt haben?«
»Wer sich geirrt hat, war ich. Ich hätte dir so etwas Wichtiges niemals anvertrauen dürfen!«
»Da muss ein Irrtum vorliegen, Tita. Ich glaube nicht, dass Miriam dir absichtlich so etwas antun würde. Sie hat uns beiden doch immer geholfen«, mischte Carmelo sich ein.
»Na klar. Während sie dafür sorgte, dass ich mich zum Lernen zurückzog, hat sie dir schöne Augen gemacht.«
Tita ging auf Miriam zu, fasste wütend in ihre hübscheZopffrisur und verlangte von dem jammernden Mädchen das Geld zurück, das sie ihr für die Prüfungsgebühren gegeben hatte.
»Du kriegst es zurück! Du kriegst es zurück!«
Carmelo hielt sich den schmerzenden Oberkörper und bat die Mädchen, sich nicht zu streiten, da er nicht aufstehen könne, um sie zu trennen. Doch wenn es darum ging, zu verteidigen, was ihr am Herzen lag, war deine Mutter kaum aufzuhalten. Sie war kämpferisch und mutig, Benito, sie hätte jedem die Augen ausgekratzt, der es gewagt hätte, dir ein Haar zu krümmen. Und da sie eben nicht
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