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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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extremen Maßnahmen hätten sie eine Chance, an der Situation etwas zu ändern: die Universität stürmen und die Türen von innen verbarrikadieren, damit keiner mehr hereinkomme, auch nicht die Polizei.
    »Genau so denken auch viele andere«, sagte Miriam. »Aber ich gebe Carmelo recht. Zuerst müssen wir die friedlichen Möglichkeiten ausschöpfen.«
    »Das ist eben der Irrtum. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«
    Die Diskussion darüber, was zu tun sei, erwies sich als unerschöpflich. Und während die Tita sich von der Begeisterung über ihre Idee, ein Studium aufzunehmen, tragen ließ, dachte Carmelo an die Aktion, die sie oben auf dem Berg ausgeführt hatten.
    Inzwischen streckten die Leute neugierig die Nase aus dem Fenster, um die weißleuchtenden Buchstaben auf dem Berggipfel lesen zu können. Die Aktivisten hatten sich nach getaner Arbeit getrennt, jeder hatte eine andere Richtung eingeschlagen, um in die Stadt zurückzukehren. Carmelo war einem Fußpfad gefolgt, der zu einer Plantage hinabführte, als er plötzlich in der Ferne die unverkennbaren Gestalten zweier Carabineros auf sich zukommen sah. Er befand sich mitten auf einem freien Gelände, sein Gesicht war weiß vom Kalk, und er trug einen Eimer mit Pinseln bei sich. Fieberhaft überlegte er, in welche Richtung er einen Fluchtversuch wagen könnte, doch es war unmöglich, quer über den steinigen Wüstenboden zu robben,ohne dass man ihn entdeckte. Dann erblickte er auf der frisch durchfurchten Erde einen Pflug, den jemand dort zurückgelassen hatte, um am nächsten Tag mit der Arbeit fortzufahren. Blitzschnell vergrub Carmelo Pinsel und Eimer in der Ackererde zwischen den Feldern, lud sich den Pflug auf die Schulter und marschierte seelenruhig weiter, den Carabineros entgegen. Als ihre Wege sich kreuzten, wünschte er ihnen im Vorübergehen einen guten Tag.
    Einer der beiden fragte ihn: »Hast du vielleicht eine Bande von Studenten gesehen?«
    Carmelo gab sich wortkarg und schickte sie mit ein paar vagen Aussagen auf die andere Seite des Bergs, fernab der Strecke, die seine Kameraden gewählt hatten. Während er weiterging und in der prallen Sonne von einem Rinnsal träumte, das ihm aus einer Felsspalte in die Kehle tropfte, schienen die Carabineros sich tatsächlich mit ihren Pferden zurückzuziehen.
    In den folgenden Wochen zog die Tita sich Tag und Nacht zum Lernen in ihr Zimmer zurück. In ihrem Feuereifer bekam sie kaum mit, was außerhalb ihrer vier Wände passierte. Flor war hocherfreut über diesen Sinneswandel deiner Mutter und fest davon überzeugt, dass sie die verflixte Aufnahmeprüfung an der Universität bestehen würde. Den einzigen Kontakt, den Tita in dieser Zeit zur Außenwelt pflegte, war der zu Miriam, die, wenn sie aus Santiago, wo sie studierte, nach Iquique heimkehrte, ihr beim Lernen half. Deine Mutter konnte durchaus verantwortungsbewusstsein, wenn sie nur wollte, Benito, genau wie du, als du dein Journalismusstudium mit so guten Noten abgeschlossen hast.
    Wenn Carmelo abends vorbeikam, um die Tita zu sehen, ließ Flor ihn nicht ein.
    »Tita hat mir gesagt, sie wolle von niemandem gestört werden. Das Examen sitzt ihr im Nacken.«
    Auch auf Miriam übte Flor Druck aus: »Sag der Tita nichts von Carmelo, das würde sie zu sehr ablenken.«
    Doch Miriam erzählte der Freundin dennoch brühwarm von Carmelos Konflikten mit der Polizei.
    »Ist ihm was passiert?«, fragte die Tita erschrocken.
    »Nein, nein. Du weißt doch, wie gut er sich zu schlagen weiß«, sagte Miriam.
    »Was hast du eigentlich mit der ganzen Sache zu schaffen?«, wunderte sich die Tita. »Ich wusste gar nicht, dass dich diese Proteste interessieren, du studierst doch in Santiago.«
    »Schon, aber ich muss mich doch mit den Jungs aus meiner Heimat solidarisieren.«
    Eine wenig überzeugende Antwort, die eher darauf schließen ließ, dass sie Carmelo aus anderen Beweggründen folgte, etwa wegen seiner schönen schwarzen Augen und weil alles, was ihr widerfuhr, nur dazu diente, es deinem Vater zu erzählen. Hässlich wurde die Sache erst, als die Carabineros beschlossen, die Kindereien, wie sie es nannten, zu unterbinden, und die Strafen verschärften, sobald sie merkten, dass ihre Drohungen allein nicht dieerhoffte Wirkung erzielten. Die berittenen Streiftrupps häuften sich. Sie patrouillierten rund um die Uhr in der ganzen Stadt, als hätten sie nichts Besseres zu tun, und hielten Wache vor den Häuserwänden, damit die Aufrührer keine Parolen

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