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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zu landen. Tatsächlich benahm Flor sich mit einem Mal wie eine andere Frau, eine, die einen gesellschaftlichen Wohlstand herbeisehnte, den Carmelo, dein Vater, überhaupt nicht anstrebte. Ich fragte ihn nach Tita, ob sie auch die Kurse besuche, woraufhin er mit leuchtenden Augen sagte, sie sei die Beste. Als unsere Tochter schließlich auch im Esszimmer erschien, begriff ich an der Art, wie Carmelo sie ansah, dass er sie wirklich liebte. Dass er in der Absicht nach Iquique gekommen war, um sich mit ihr auszusöhnen. Doch mit einem Mal herrschte bleiernes Schweigen. Die Tita schwieg, weil sie heimlich schwanger war, Carmelo schwieg, weil er wusste, dass sich der Sturm erst legen musste, und ich schwieg, weil ich Angst hatte, mich wegen des Babys zu verplappern.
    Und so dachte ich daran, dass ich eigentlich gekommen war, weil Flor das Haus hier in Iquique verkaufen wollte, um gemeinsam mit den Hündchen zu mir nach Paitanás zurückzukehren. Denn bald würden wir zu alt sein, umständig von einem Ort zum andern zu pendeln. Bis zu meiner Abreise hatten wir allerdings noch keinen Käufer gefunden.
    Nach dem Frühstück beobachtete Flor, wie Carmelo sich im Patio der Tita näherte. Sie hielt weinend ein Hündchen im Arm, das aussah wie der kleine Ausreißer, den sie als Kind in Paitanás bis in die Kirche verfolgt hatte. Als Carmelo sich wortlos zu ihr setzte, schaute sie weg und doch rückte sie nicht von ihm ab. Er legte ihr seine Hand auf die Schulter und strich ihr zärtlich über den Rücken.
    »Ich liebe dich doch, Kleines«, meinte Flor mit ihren gespitzten Ohren durch das Fenster zu hören.
    »Ich dich auch, Karamell.«
    Der Tita rann wieder eine Träne über die Wange, die Carmelo mit dem Finger bremste. Er schwor ihr, sie sei ihm das Wichtigste auf der Welt. Daher könne er ihr auch nicht verraten, was er gerade in der Hauptstadt treibe, doch sobald alles zu Ende sei, würde er sie als Erste detailliert über jeden seiner Schritte informieren. Die Tita überkam mit einem Mal die Lust, eine Zigarette zu rauchen, aber ihre Mutter oder das Baby in ihrem Bauch hinderten sie daran. Also beschloss sie, sich draußen ein wenig die Beine zu vertreten. Obwohl sie jetzt ruhiger war, dachte sie, dass Carmelos Kameraden die Linke zu spalten drohten. Zwei oder drei Hunde folgten ihr auf ihrem Spaziergang zum Hafen, wo die Sonne in den Ozean stürzte und die Bahn frei machte für die Nacht. Die Dunkelheit überzog die Wüste mit einem violetten Schimmer.

Paitanás, Dezember 1939
    Das Geheimnis der Lorenzona sprach sich unter den Bewohnern von Paitanás erst herum, als die Agenten von López-Cuervo II die Ursache ihres Todes ermittelten. Das Mordsweib war nicht etwa durch eine Kugel oder eine üble Messerstecherei ums Leben gekommen, wie es sich die Leute ausgemalt hatten, sondern, so lautete das endgültige Ergebnis der Autopsie, sie hatte sich selbst vergiftet mit dem Schierlingskraut, von dem sie auch Sofanor etwas zum Abschied geschenkt hatte. Doch ich hege so meine Zweifel an dieser Version, und denke, die Wahrheit ist, dass das weibliche Herz dieses Mannweibs den Verlust Sofanors nicht verkraftet hatte.
    Nachdem der Tod von Sofanor und der Inglesa im Chanchoquín ein ungewöhnliches Echo in der Presse erfahren hatte, stand der junge López-Cuervo II ziemlich unter Druck, den Mörder zu schnappen. Man hatte Sorge, dass er erneut zuschlagen könnte. Und als der seltsame Tod des Paares dann seine gänzlich unspektakuläre Erklärung fand, musste der Sohn des Satans sie ein wenig aufbauschen, um sich in den Schlagzeilen des Atacameño als Held feiern zu lassen. Kaum zu glauben, dass es Menschen gibt, die um jeden Preis auf Popularität aus sind, die nichtsweiter ist als das Spiegelbild ihrer eigenen Erbärmlichkeit. Die Gene, Benito! Das war die einzige Erklärung, die ich für dieses ganze theatralische Getue des Polizeichefs fand.
    Mir war der Besuch der Lorenzona im Arche nicht mehr aus dem Sinn gegangen, und eines Tages raffte ich mich auf und begab mich zu einem ihrer Quartiere, fernab der Landstraße. Als ich schließlich vor der verrotteten Hütte mit der Wellblechtür stand, niemanden sah und nichts hörte, erwog ich einen kurzen Augenblick, einfach kehrtzumachen. Ich hatte Durst und war müde, doch nach der nächtlichen Diskussion im Arche mit einigen Pampinos hatten sich in meinem Kopf eine Menge Fragen zu dem Mordfall im Chanchoquín aufgestaut, die ich klären wollte. In dem kleinen Hof hinter der Hütte

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