Der mieseste aller Krieger - Roman
abschirmten, wimmelten die beiden harsch ab und nahmen nur knapp die Papiere zur Kenntnis, die Sergio ihnen vorlegte: seinen Personalausweis, den Führerschein, die Wagenpapiere und die Arbeitsbescheinigung. Zeit für Erklärungen gab es nicht, stattdessen warfen sie Schwager Sergio, die Trini und den Expriester mit vorgehaltener Flinte kurzerhand wieder hinaus. Alzamora willigte verzweifelt ein, heimzukehren. Was hätte er auch tun können? Zwar erwog er die Möglichkeit, sich an López-Cuervo II zu wenden und ihn zu bitten, sich einzuschalten, doch hatte er sich nicht gerade in Freundschaft von ihm getrennt. So blieb dem Pfaffen von einst nichts weiter, als mit einem herzzerreißenden Schluchzen Gott oder den Teufel um das Wohl seines Bruders und seines Vetters anzuflehen. Am nächsten Morgen sammelte er all seinen Mut, um dem Rest der Familie die Nachricht zu überbringen. Kaum aber war er bei seinem Schwager eingetroffen,stürzte die nächste Hiobsbotschaft über ihn herein: Sie hatten auch Freirina abgeführt, ohne ersichtlichen Grund und ohne dass sie erfahren hätte, warum die Schergen den Namen Alzamora mit solchem Abscheu aussprachen. Der Expriester konnte es nicht fassen: Er hatte Paitanás verlassen, um die Messe nicht vor den Paneelen mit den Fotos all der Toten halten zu müssen, die er zuvor in den Folterstätten besucht hatte, doch offenbar klebte ihm der Fluch an den Fersen. Die Alzamoras schrieben Briefe an die Presse und die Kirchenvertreter, auf die sie keine Antwort erhielten.
»Möglicherweise haben sie sich in den Personen geirrt. Kann doch sein, dass sie uns in ein paar Tagen sagen, es habe sich um einen Irrtum gehandelt«, meinte die Trini schüchtern optimistisch.
Aber es erreichte sie schließlich eine völlig andere Nachricht auf völlig anderen Wegen. Eine Nachbarin der Familie erzählte, auf der Herfahrt im Bus habe man jenseits der Brücke, die über den Elqui-Fluss führte, in Richtung Compañía Baja drei von Kugeln durchsiebte Leichen auf den Schienen gefunden. Als sie entsetzt mit den übrigen Passagieren aus dem Bus gestiegen sei, habe sie Erasmo und Freirina, Alzamoras Geschwister, erkannt. Ein anderer habe den dritten Leichnam identifiziert. Es sei Alberto gewesen. Alzamora und sein Schwager Sergio brachen wie von Sinnen sofort auf, doch als sie bei der Brücke ankamen, hatte man die Leichen bereits fortgeschafft. Ein mürrischer Landsmann reinigte eine Mauer mit einemWasserstrahl, weigerte sich jedoch, ihnen Auskunft zu erteilen. Erst nach langem Bitten erklärte der Alte:
»Die Erschossenen waren Extremisten, die auf den Dächern von Compañía Alta ihr Unwesen trieben. Zum Glück hat man sie gefasst!«
»Das ist eine Lüge! Eine Lüge!«, widersprach ihm Sergio aufgebracht.
Obwohl Alzamora die Verleumdung seiner Familienmitglieder ebenso schmerzte, packte er Sergio am Arm und zog ihn zurück in den Wagen. Es war zwecklos. Sie klapperten alle Polizeistationen der umliegenden Dörfer ab, bis die Beamten von Coquimbo sie in die Hauptstadt schickten, das Nationalstadion sei zu einem Konzentrationslager umfunktioniert worden. Also reisten Alzamora und Sergio nach Santiago, bezogen dort Quartier in einer Pension auf der Avenida Matta, um die dreitägige Frist abzuwarten, die sie laut Aussage eines Carabineros verstreichen lassen mussten, bis man sie empfangen würde. Die Nächte wurden ihnen zu einem Alptraum, in dem sich das Gelächter des Satans mit den Schüssen der Militärs vermischte. Als sie niedergeschlagen und unverrichteter Dinge wieder nach La Serena zurückkehrten, begab sich die Trini in Begleitung einer von Sergios Kusinen auf die örtliche Wache, um endlich bei Polizeihauptmann Rodríguez vorgelassen zu werden.
»Ihre Verwandten sind nicht erschossen worden. Ich habe sie lediglich wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen, sie dann aber sofort wieder freigelassen. Ich weißnicht, in welche Schwierigkeiten sie sich danach gebracht haben«, empfing sie der Polizeichef, bevor sie überhaupt das Wort ergreifen konnten.
Da nahm die Trini, dieses großartige Weib, das Heft in die Hand und stellte ihrerseits die Fragen, und zwar so, dass sie keine Ausflüchte zuließen.
»Warum hat man dann auf sie geschossen, wenn sie nur betrunken Auto gefahren sind?«
»Während der Sperrstunde auf der Straße zu verkehren, gilt als Widerstand gegen die Staatsgewalt«, erwiderte Rodríguez.
»Es war noch nicht zehn Uhr abends!«, protestierte die Trini.
»Ich sage Ihnen doch,
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