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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Jahrzehnt an der Universität. Flor hatte ihr so viele Standpauken gehalten, dass deine Mutter erst recht beschloss, ihr Studium langsam anzugehen. Vermutlich arbeitete sie deshalb bei einer Freundin, die als Goldschmiedin Ringe und Halsketten anfertigte, um sie auf einem Markt für Kunsthandwerk in der Oberstadt zu verkaufen.
    Dann erhielt Flor plötzlich einen Brief aus Santiago, in dem die Tita ihr verkündete, dass sie, sobald sie ihr Studium abgeschlossen habe, an einer Schule unterrichten werde. Ich war glücklich: Endlich, mit vierunddreißig, würde das Kind nicht mehr von den Ersparnissen abhängig sein, die uns das Arche beschert hatte! Umso überraschter war ich allerdings, als sie eine Woche später bei uns in Iquique auftauchte. Sie behauptete, sie habe den Hafen, die Hunde und Flor vermisst. Sogar ich hätte ihr gefehlt.Flor nahm ihr die Ausrede ab, doch ich traute dem Braten nicht. In ihrem Blick lag eine Traurigkeit, die ich nicht an ihr kannte. Ich fragte nicht nach, die Tita hasste es, wenn man ihr Fragen stellte. Sie litt unter starken Gemütsschwankungen. Manchmal kam sie überglücklich in Iquique an, und gleich darauf geriet sie wegen irgendeiner Lappalie in Rage. Mir war klar, dass Carmelo hinter all dem stecken musste. Als ich mich vorsichtig erkundigte, wie es mit seiner Arbeit in Santiago laufe, sagte sie, hervorragend, so hervorragend, dass sie ihn nach Iquique versetzen würden. Carmelo arbeitete mit der Kamera, er lieferte die Bilder zu den Reportagen, die ein Journalist für das Staatsfernsehen machte. Die Produktion hatte ihn regelmäßig beauftragt, und man war zufrieden mit seiner Arbeit, so dass er sich nun eine feste Stelle erarbeitet hatte, die er in einer Region mit großen sozialen Konflikten, so wie unserer, antreten wollte. Flor trug einen Krug mit Aprikosensaft und Gläser herein und nahm zufrieden auf dem Sofa Platz. Sie sah die Tita an, strich ihr über die Wange und wollte lächelnd wissen, ob sie Hunger habe.
    »Nein, Mami. Ich bin müde.«
    »Na schön, dein Bett ist gemacht.«
    »Danke. Ich ruhe mich ein bisschen aus.«
    Flor ging in die Küche, um den Fressnapf der Hunde mit ein paar Kartoffeln zu füllen. Tita starrte durchs Fenster auf die leere Straße hinaus, und bevor sie sich in ihr Zimmer zurückzog, winkte sie mich stumm zu sich. Ich folgte ihr auf ihr Zimmer, das noch genauso war, wie sie esverlassen hatte: vollgestopft mit Büchern. Als sie mir sagte, sie sei schwanger, wolle aber vorerst nicht, dass Flor davon erfahre, kippte ich das ganze Glas Saft auf einmal herunter, und mir wurde ganz schwindelig. Ich kehrte wankend ins Esszimmer zurück, starrte, so wie kurz zuvor die Tita, aus dem Fenster und legte mich aufs Sofa, um nachzudenken.
    »Willst du nichts sagen, Papa?« Die Tita stand wie aus dem Nichts wieder vor mir.
    »Es fällt mir schwer, mein Kind.«
    Ich erklärte ihr, dass wir schwierige Zeiten durchlebten, dass unter anderen finanziellen Voraussetzungen die Aussicht auf ein Enkelkind sicher mehr Freude auslösen würde. Sie attackierte mich sofort. Wenn nur das Finanzielle zähle, dürften die Armen gar keine Kinder mehr kriegen – und trotzdem kämen jeden Tag Hunderte zur Welt.
    »Darauf war ich einfach nicht gefasst, mein Kind«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll.«
    Die Tita nahm mich in den Arm, als sei ich es, der Zuspruch brauchte. Ich weiß nicht, warum ich meinte, das tosende Meer zu hören, die Brandung, die sich an den Klippen brach. Erst als man uns für immer ihrer Gegenwart beraubt hatte, kam uns in den Sinn, dass man ihr das Schulpraktikum in der Hauptstadt vielleicht wegen der Schwangerschaft verwehrt hatte. Vielleicht sollte eine Studentin ihren Schülern kein schlechtes Beispiel geben. Flor, die sich bereits ihre Parallelwelt geschaffen hatte, eine Welt ohne Probleme, bemerkte Titas Zustand nicht. UnsereKleine war im dritten Monat, aber unter diesen Hippiekleidern sah man nichts. Ich gestand Flor meinen Verdacht: Die Menge an Gepäck deute darauf hin, dass sie vorhabe, für längere Zeit zu bleiben. Da wachte meine Frau auf, machte sich Gedanken und fing an, die Tita mit Fragen zu löchern, denen unsere Tochter geschickt auswich.
    Wenige Tage nach unserer Tochter traf auch Carmelo, der Vater ihres Kindes, bei uns ein. Sie gaben uns keine Erklärungen, verhielten sich als Paar jedoch seltsam. In fast allen ihren Briefen hatte die Tita uns geschrieben, wie glücklich sie mit ihm sei und wie gut er sie

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