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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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behandele. Doch als er in Iquique auftauchte, verschwand sie wortlos im Patio und widmete sich den Hunden. Sie behandelte ihn mit einer Gefühlskälte, die mich an ihre Mutter erinnerte, die Inglesa, die Sofanor stets damit gequält hatte, dass sie ihn nicht mehr brauche. Allerdings war Carmelo nicht so dumm wie mein Freund, er war der Tita gefolgt, um sie nicht zu verlieren.
    Flor begrüßte Carmelo mit einer innigen Umarmung.
    »Sieh mal, wer da ist.«
    Ich war überrascht, ihn mit Bärtchen zu sehen. Carmelo nahm vor dem riesigen Fenster Platz, und ich bot ihm ein Fläschchen Bier an. Er trug sein pechschwarzes Haar noch immer lang, das Haar deines Vaters war dick und drahtig, Benito; doch seine Haut wirkte jetzt dunkler und gegerbter, so als hätte er Jahre unter freiem Himmel verbracht. Er kam aus Santiago, wo die Sonne nicht so brannte wie beiuns, aber Carmelos Haut war mit einem Mal dunkler als die der Kumpel, die in den Salpetergruben schufteten. Das machte mich stutzig. Flor hingegen erstaunte rein gar nichts, sie war hingerissen über den unverhofften Besuch. Ich weiß nicht, warum ich den Eindruck habe, dass Schwiegermütter sich gern in ihre Schwiegersöhne verlieben. Carmelo seinerseits nutzte die erstbeste Gelegenheit, um sich den Zuwendungen seiner Schwiegermutter zu entziehen und mit Tita zu sprechen. Wir hörten sie miteinander reden, doch sie gerieten rasch in Streit. Ich glaube, dass die Tita damals eher ratlos als verärgert war. Einerseits wollte sie Aufgaben für ihre Partei übernehmen, die ihren vollen zeitlichen Einsatz erforderten, andererseits mehr Zeit mit Carmelo verbringen. Das zumindest ging aus den vielen Diskussionen hervor, die beide am Tisch führten. Was das Politische anging, beharrte die Tita darauf, das Wichtigste sei, die Ignoranz auszumerzen, das zuallererst, und dann könne man die von Carmelo und seinen Kameraden angestrebten gesellschaftlichen Reformen angehen. Flor begriff gar nichts, sie schalt ihre Tochter, Carmelo so harsch anzugehen.
    »Schade, dass ich nicht so einen Verehrer hatte, der mir wie ein Schatten überallhin folgte und noch gescheit dazu war«, sagte sie bedauernd.
    Die Tita fragte zurück, was ihr denn all diese Klugheit nütze, wenn er sie kaum beachte. Carmelo blickte sie an, ohne ein Wort zu sagen. Da meiner Frau und mir die Köpfe vom vielen Reden und Denken schwirrten, beschlossFlor kurzerhand, es sei Zeit, ins Bett zu gehen. Und sie entschied außerdem, dass ihre Tochter in dem Zimmer neben ihrem schlafen solle und Carmelo in dem, das am anderen Ende des Flurs lag. Ich fand das albern, denn in der Hauptstadt lebten die beiden ja zusammen, aber als ich Flor das erklärte, meinte sie, unter ihrem Dach werde sie keine Unmoral dulden. Ich war überrascht, dieses Wort aus ihrem Mund zu hören. Es war das erste Mal, dass sie es benutzte. Ich wollte ihr sagen, ihre Sorge sei unnötig, unser Mädchen bekomme ein Baby. Doch als ich zu sprechen anhob, legte die Tita den Zeigefinger auf die Lippen, um mir zu verstehen zu geben, dass Carmelo noch nichts wisse. Ich war nun vollends verwirrt und schenkte mir einen ordentlichen Schluck ein.
    Warum bloß verhielt die Tita sich in jeder Hinsicht äußerst merkwürdig? Es konnte doch nicht nur damit zusammenhängen, dass ihre Taille unter diesem Blumenkleid verschwunden war. Ich ahnte dunkel, dass es etwas mit Carmelo und der Politik zu tun haben musste, mit Dingen, von denen ich nichts verstand, etwa dem bewaffneten Kampf für die Demokratie.
    Am nächsten Tag saßen Flor und Carmelo bereits sehr zeitig am Frühstückstisch. Die Tita schlief noch, als ich mich nach einer unruhig verbrachten Nacht zu ihnen setzte. Flor versorgte uns mit einem Stück Ziegenkäse und Milch, Rühreiern und Fladenbrot. Carmelo erzählte, dass er mit seinen Eltern den Sommerurlaub immer in der Region Araukanien verbracht habe. Die unglaubliche Armut,in der die Menschen in jenen südlichen Waldgebieten lebten, habe sich ihm tief eingeprägt. Er könne nicht vergessen, was er dort gesehen habe, und seither kämpfe er gegen Verhältnisse, die ihm von Kindheit an ungerecht erschienen seien. All das erzählte er uns, als gebe es in der Wüste kein Elend. Doch Flor war entzückt: So ein sensibler Mann! Sie träumte davon, dass er es zu einer bedeutenden Persönlichkeit mit beträchtlichem Vermögen für ihr Mädchen bringen würde. Dabei vergaß sie, dass er ein politischer Aktivist war, der weitaus mehr Chancen hatte, irgendwann im Gefängnis

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