Der mieseste aller Krieger - Roman
nichts, denn diese Leute glaubten hartnäckig, dass wir Gefangenen alle irgendwie schuldig sein müssten, und wenn wir es noch so wenig waren und keine Ahnung hatten, was los war, wie in meinem Fall, wollten sie nichts davon hören.
Die Frauen, die allein und völlig verängstigt waren, bekamen Besuch von einigen Militärs, Bluthunden, die keine Skrupel hatten und auch keinen Vater, keine Mutter,keine Schwestern oder Kinder, denen nicht gefallen würde, was sie anderen Menschen antaten. Sie pflanzten sich vor den in einer Ecke zusammengekauerten Gestalten auf und bepissten oder bespuckten sie, setzten sie unter Druck, Namen, Details, Adressen zu nennen.
»Wenn du Papa nicht alles gestehst, werde ich dich erst recht das Fürchten lehren«, drohte ihnen Apablaza. Die einen weinten, weil sie ihre Kameraden nicht verraten wollten, und die anderen, weil sie zu allem bereit waren, wenn man sie nur in Ruhe ließ. Wieder andere hatten keine Ahnung, was man überhaupt von ihnen wollte. Sie weinten vor Angst, weil sie in der Ferne Schüsse hörten. Apablaza herrschte sie an, warum sie heulten, wo er ihnen doch noch gar nichts getan habe, und da sie nicht aufhörten zu weinen, quälte der Major sie mit den Worten:
»Du willst weinen? Na schön, dann sollst du auch einen Grund dazu haben. Dein Mann ist tot. Ich habe ihn mit diesen Händen umgebracht. Sieh sie dir an. Obwohl ich sie mir gewaschen habe, riechen sie noch nach seinem Blut.«
Die meisten Frauen gerieten dann außer sich vor Entsetzen, stießen diese grausamen Hände beiseite, schrien, nein, nein, das könne nicht sein, woraufhin man sie wieder isolierte und ihnen einen langen einsamen Tag gab, damit sie nachdachten und endlich die gewünschte Information lieferten. Vorher allerdings nahmen die Schergen ihre Schreie auf einem Tonband auf, das sie später vor den Ehemännern abspielten mit der Drohung, wenn sie nichtredeten, werde man ihre Frauen weiter foltern, bis zum Tod. So gelang es ihnen, die Menschen zu brechen, und niemand ahnte, dass das Grauen damit erst seinen Anfang genommen hatte.
Pater Alzamoras Nachfolger, Pater Remigio, hielt in der Kirche lange Predigten über alle möglichen Nebensächlichkeiten und schwieg sich über die wahren Probleme restlos aus. Ich versuchte, Flor klarzumachen, dass dieser Priester von den Militärs eingesetzt sei und sie diesem Mistkerl nicht trauen dürfe, aber sie setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um herauszufinden, was mit der Tita passiert war. Als sie erfuhr, in welches Gefangenenlager man sie gebracht hatte, begab sie sich in aller Eile auf den Weg dorthin. Sie wurde an den Pforten der genannten Einrichtung vorstellig, wo sich bereits massenweise Angehörige anderer Inhaftierter versammelt hatten. Sie verlangte, die Tita zu sehen, sagte, ihre Tochter sei ein braves Mädchen und außerdem schwanger, weshalb man ihr gestatten solle, sie mit nach Hause zu nehmen, damit sie sich dort um sie kümmern könne. Es war zwecklos, doch Flor gab die Hoffnung nicht auf, denn außer mit dem Priester hatte sie auch mit López-Cuervo II gesprochen. Sie musste sich an jeden Strohhalm klammern, um nicht zu verzweifeln.
»Glaubst du, dass man unserer Kleinen weh tun wird?«, fragte mich deine Großmutter. »Alles wird gut werden«, beruhigte ich sie und drückte ihr Gesicht an meine Brust, während ich auf die Schotterstraße sah, die sich in einerschnurgeraden Linie in die Ferne zog. Ich sagte ihr, man werde die Tita ganz sicher wieder freilassen, da sie nichts mit der MIR zu tun habe, und starrte weiter auf die vagen Luftspiegelungen am Horizont.
Als López-Cuervo II die Tita im Kerker sah, mit strähnigem, verschmutztem Haar, die grünen Augen verquollen vom vielen Weinen, erschrak er dermaßen, dass er drauf und dran war, eine Torheit zu begehen. Er wollte sich über alle Regeln hinwegsetzen und sie fortschaffen, weit weg von diesem düsteren Ort. Als er dann allerdings erfuhr, dass sie im Dezember niederkommen sollte, fühlte er sich verraten. Und er beschloss, in Zukunft wegzuschauen, wenn man sie von einer Folterkammer in die andere schleppte. Vielleicht biss er sich auch auf die Lippen, denn obwohl er in voller Überzeugung den Säbel gezogen hatte, war er nun doch verwirrt angesichts all dieser Folterstätten, die das Land verwüsteten.
Sie führten die Tita durch Korridore in einen Raum, wo sich eine ihrer Freundinnen befand. Eine Frau, die jünger wirkte, als sie war. Sie blickten einander an, ohne sich zu erkennen zu
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