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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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können doch einen feschen Galan noch nicht von einem Ochsenfrosch unterscheiden, Markus.«
    Oh Gott. Der
fesche Galan
musste machen, dass er hier schnellstens verschwand. Sina bemühte sich, aber es gelang ihr kaum, ein Grinsen zu überspielen.
     Das war der Moment, in dem ich in meinem Inneren den leichten, kaum wahrnehmbaren Flügelschlag eines kleinen, zurückhaltenden
     Schmetterlings spürte. Nur ganz kurz, eine zarte Vibration.Ich horchte kurz in mich hinein, und da war sie auch schon wieder weg. Ich öffnete die Tür zum Büro meines Vaters und blickte
     mich noch einmal kurz um. Sina kramte in ihren Unterlagen herum und schien mich schon vergessen zu haben, nur Loni schaute
     mir nach und knipste das aufreizende Lächeln an, mit dem sie die »Möbelwelt Stiltfang & Strube« schon seit beinahe
     einem Jahrzehnt in Atem hielt.
    ***
    Seit zwei Wochen verbrachte ich nun schon meine Tage damit, Nägel mit einer Druckluftpistole in unbearbeitete Holzlatten zu
     hämmern, während ich mir dabei abwechselnd vorstellte, mit Sina oder Leonie zusammen zu sein, je nachdem, wem ich zuletzt
     begegnet war. Darunter litt die Qualität meiner Arbeit zusehends.
    »Konzentrier dich doch mal, Junge«, raunte mir Conrad zu, »mit deinen krummen Kisten können wir nur noch ein Osterfeuer machen!«
     Conrad war ein weißhaariger Grimmbart, der mit seinen feinen Zügen selbst in Arbeitskleidung immer so blasiert aussah, als
     ob er Vorlesungen in Hermeneutik halten würde. In Wahrheit war Conrad der Vorarbeiter in der Kistenfabrikation meines Vaters.
     Mit seiner »Möbelwelt« beglückte mein Vater nicht nur ganz Blankenburg und Umgebung mit Eiche-rustikal-Schrankwänden und Einbauküchen,
     sondern er produzierte nebenbei auch stabile Verpackungen für Werften und Fuhrunternehmen. Ein lohnendes Geschäft, für das
     neben den beiden großen Möbelhallen noch eine kleinere Halle im rückwärtigen Teil des Firmengeländes erbaut worden war. Hier
     verbrachte ich seit ein paar Jahren meine Schulferien, wenn ich Geld brauchte. (Mein Vater gehörte nicht zu den Männern, die
     der eigenen Brut alles ohne Gegenleistung in den Hintern stopfen. Er hatte zwar ein schlechtes Gewissen, weil er unsere Mutterverlassen hatte und nun mit Angelique zusammenlebte, aber finanziell profitierten wir davon nicht.)
    Weiter als bis zur Kistenfabrikation hatte ich es noch nie gebracht. Mein Desinteresse für das Kerngeschäft meines Vaters
     war zu offensichtlich, um mich zentraler einzusetzen. Näheren Kontakt mit mir konnte man dem zahlenden Publikum nicht zumuten,
     Fachfragen nach Betten, Wohnzimmertischen oder Markisen waren bei mir an der falschen Adresse. Mein Vater hatte schon früh
     eingesehen, dass ich das Familienunternehmen nicht übernehmen würde. Das hatte den Vorteil, dass er mich bei den Kisten-Parias
     arbeiten lassen konnte, ohne die Autorität seines künftigen Nachfolgers zu untergraben. Trotzdem nannte mich der Großteil
     der Belegschaft in einer Mischung aus Spott und widerwilligem Respekt vor meinem Vater nur »Junior«, wenn ich einem von ihnen
     über den Weg lief.
    Das geschah nicht allzu häufig, denn in der Regel fühlte ich mich bei den »Kistenkloppern« bestens aufgehoben. Die Arbeit
     war stumpfsinnig, doch die raue Atmosphäre, die bei ihnen herrschte, genoss ich. Sie hockten in den Pausen in verschwitzten
     Unterhemden mit ihren Thermoskannen und Butterbrotdosen in einem düsteren Raum ohne Fenster und erzählten von den Schützenfesten
     und Fußballspielen des letzten Wochenendes, während sie sich ausgiebig dabei kratzten. Sie nannten mich nie Junior. Wenn ich
     Glück hatte, erinnerten sie sich an meinen Vornamen, doch wenn es schnell gehen oder Bier geholt werden sollte, dann war ich
     einfach nur »Hey, Stift!«. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass ich keiner von ihnen war und nie sein würde, und sie ließen
     es dabei so aussehen, als sei das mein Problem. In meinem Beisein spotteten sie besonders gern über meinen Vater, ihren
Boss
. Sie lachten über seine Playboy-Attitüden, sein rotes Cabriolet oder seine junge »Schnalle«, und es gefiel ihnen, wenn sie
     mich hin und wieder dazu brachten, inihr Gelächter einzustimmen. (Ich mochte meinen Vater, trotz allem – aber den Jungs aus der Kistenfabrikation konnte er nichts
     vormachen, nicht mal mit einer 280er Pagode.)
    Meine Abiprüfungen lagen endlich hinter mir, und wenn ich Glück hatte, würde ich im Herbst meinen Zivildienst in einer Münchner
    

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