Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Ausschnitt kriecht.«
    Innerlich zuckte ich zusammen. So war das also. Die Firma »Möbelwelt« kroch einem Kleinstadtvamp in den Ausschnitt. Offenbar
     war Sina ein wenig eifersüchtig auf ihre ältere Kollegin. Aber sie hatte natürlich Recht. Loni Raders Feldzug in eigener Sache
     wurde nicht mit feiner Klinge ausgefochten, das war mir schon klar. (Bei mir hatte er trotzdem die gewünschte Wirkung, auch
     wenn ich das vor Sina nicht zugeben würde.)
    »Ach, ich kenne die schon sooo lange – sie ist ein bisschen schräg, aber nicht übel.«
    Das klang ein wenig halbherzig, aber was sollte ich denn sagen. Dass Sina nichts davon verstand, wie Männer ticken?
    »Also, wie ich das sehe, ist diese Frau einfach ein vollkommener Psychopath«, fuhr Sina fort. »Sie steht drauf, dass allehier drin – inklusive deinem Vater übrigens – vor ihr Männchen machen, das ist das Größte für sie. Und du solltest mal hören,
     wie sie über die Typen lästert, wenn keiner im Raum ist. Sie ist die größte Maulhure, die ich je getroffen habe. Diese Frau
     befindet sich im Krieg gegen Männer, ehrlich, Markus, und es ist typisch, dass das keiner von euch Nasen wahrhaben will!«
    »Ich finde, jetzt übertreibst du aber wirklich«, widersprach ich ihr, aber es war eher ein Reflex. Darüber nachdenken konnte
     ich ja später immer noch. Vorerst mümmelte ich an dem Eis, das ich uns zum Dessert beim Italiener besorgt hatte. Sina ging
     nun doch hin und wieder mit mir essen. Sie hatte mich am Ende meiner ersten Woche im Ferienjob auf einem internen Telefon
     in der Kistenfabrikation angerufen und gefragt, ob mein Angebot noch stehe. »Ich werde hier drin noch wahnsinnig, wenn ich
     den ganzen Tag von dieser Büro-Kurtisane umgeben bin.« Allerdings verlangte sie, dass über unsere gemeinsamen Pausen nichts
     bis in den Glaspalast drang.
    »Ich will nicht, dass diese verrückte Frau auch noch anfängt, gegen
mich
zu intrigieren.«
    »Wieso sollte sie das tun?«, fragte ich, doch Sina ließ sich auf keine Diskussion ein.
    »Das würde sie«, antwortete Sina, »glaub’s mir!«
    Ist es nicht erstaunlich, dass Frauen in der Regel einfach mehr davon verstehen, wie das Leben funktioniert?
     
    Die Dinge entwickelten sich, obwohl Sina mir keinen Bullshit durchgehen ließ. Sie gehörte zu den ernsthaftesten Mädchen, die
     ich kannte. Small Talk war mit ihr nicht zu machen. Das gestaltete unsere Mittagspausen zuerst ein bisschen zäh, bis ich mich
     darauf eingestellt hatte, dass ich mit meinen antrainierten Halbweisheiten und locker klingenden Banalitäten bei ihr nicht
     weit kam. Das irritierte mich zunächst,doch als ich merkte, dass sie mich zu mögen schien, ohne dass ich mir das verdienen musste, wurde ich langsam ruhiger. Ich
     nahm ihr ein Tape mit meinen Lieblingssongs auf und sie revanchierte sich mit dem Buch eines Autors, von dem ich noch nie
     gehört hatte. Jochen Schimmang hieß er und hatte gerade bei Suhrkamp sein Romandebüt vorgelegt: ›Der schöne Vogel Phönix‹.
     Ich befürchtete das Schlimmste, Suhrkamp-Bücher gehörten damals nicht unbedingt zu meiner Lieblingslektüre, bei den wenigen
     Exemplaren, die ich aus unterschiedlichen Gründen lesen musste, rauchte mir hinterher der Kopf. Doch Schimmangs Buch berührte
     mich. Sein Protagonist suchte zwischen den gesellschaftlichen Wirrungen der Zeit (Bundeswehr, Berlin und Studentenbewegung)
     nach einem Weg, sich selbst nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Ich identifizierte mich auf der Stelle mit ihm, und Sinas
     Hinweis, sie habe gleich gespürt, dass ich das Buch mögen würde, spielte dabei vermutlich auch eine Rolle. An Klara auf Korsika
     dachte ich schon seit ein paar Tagen nicht mehr. Selbst Loni Raders Hausfrauenerotik spielte in meinen feuchten Träumen nur
     noch eine Nebenrolle. Von Tag zu Tag wurden Sina und ich uns vertrauter, aus dem leichten Vibrieren war schon der heftige
     Flügelschlag eines Schmetterlings geworden. Wir trafen uns nun auch außerhalb der »Möbelwelt«. Am nächsten Wochenende wollten
     wir uns Udo Lindenberg auf der Loreley-Freilichtbühne am Rhein anhören. Vermutlich mussten wir dann irgendwo übernachten,
     wenn wir nicht gegen Mitternacht drei Stunden zurück nach Hause fahren wollten. Wie gesagt, die Dinge entwickelten sich, als
     mein Vater mich in der Kistenfabrikation anrief und bat, ihm einen Gefallen zu tun.
     
    Die Belgier rückten gegen 21   Uhr an, parkten ihren mächtigen Vierzigtonner parallel zum Tor der

Weitere Kostenlose Bücher