Der mieseste Liebhaber der Welt
sie rum!«, hatte die ›Cosmopolitan‹ meinen Text überschrieben und dazu noch einen
Psychologen zu Wort kommen lassen. Das Kardinalproblem zwischen Frauen und Männern sei, dass zu wenig geredet werde, behauptete
er. Und dass Männer mit dem Status quo von Beziehungen zufrieden seien, während Frauen sich mit ihren Partnern stets gemeinsam
entwickeln wollten.
Gemeinsam entwickeln am Arsch
. Ellen hatte sich mit einem Banker aus Frankfurt eingelassen, während ich heiße Reportagen über Sozialzentren in Trudering
oder Berg am Laim recherchierte. Ihre Karriere im Finanzbusiness nahm langsam Fahrt auf, während ich auf den Stadtteilseiten
einer Lokalzeitung herumdokterte. Wenigstens hatte ich mit dem Text über meine gescheiterte Beziehung den Einstieg in den
Magazinjournalismus geschafft. Wenn das allerdings zukünftig immer der Preis für Karrieresprünge sein sollte, dann war er
für meine Begriffe ein bisschen zu hoch. Was müsste ich tun, um für den ›Stern‹ zu schreiben: ein langjähriges Krebsleiden
mit Extrembergsteigen besiegen?
»Kommst du noch mit zu mir?«
Soundfetzen von »All Your Zombies« von den Hooters drangen aus der Höhle des »Cosy«. Angie zog konzentriert an ihrer Zigarette,
während sie mein Gesicht nach einer Reaktion abscannte. Ich grinste breit. Ganz falsch, das wusste ich schon im gleichen Moment.
»Arschloch!«, sagte Angie. Dann lehnte sie sich an unser Mäuerchen und rauchte ihre Zigarette langsam zu Ende. Schließlich
verschwand sie wortlos im »Cosy«. Prima. Jetztvertrieb ich Frauen schon ohne zu reden, nur indem ich grinste wie ein Idiot. Ich verstand schon lange, dass ich nichts verstand,
aber das hier war schlimmer, weil sich abzeichnete, dass sich das auch nie ändern würde.
Vielleicht sollte ich einfach noch zu Julia fahren. Sie würde keine Fragen stellen, jedenfalls keine, die ich nicht beantworten
konnte. Julia kannte ich noch aus meiner Zeit als Zivi in der Wendl-Dietrich-Jugendherberge in Neuhausen. Wir waren kurz zusammen
gewesen, ohne dass wir uns sonderlich füreinander interessiert hätten. Dazu waren wir damals beide viel zu sehr mit uns selbst
beschäftigt. Julia bekämpfte den Humus ihrer katholischen Landjugend im tiefsten Bayern mit polygamem Sex und dem Versuch
herauszufinden, wofür sie sich eigentlich wirklich interessierte. Ich hingegen arbeitete mich an den ungeschriebenen Gesetzen
einer Stadt ab, die ich nicht verstand. All meine instinktiven Tricks, mit denen ich mein Leben in Blankenburg geregelt hatte,
funktionierten hier nicht mehr. Ich fühlte mich wie ein Freak. Es kostete mich meine ganze Energie, von München, der Weltstadt
mit Herz, nicht abgestoßen zu werden wie ein fremdes Organ.
Julia und ich kreisten ein paar Wochen umeinander, dann trennten wir uns schmerzlos. Oder besser: Wir verloren uns aus den
Augen. Erst vor zwei Jahren traf ich sie zufällig auf einem Flug nach Mexiko wieder. Sie stellte mir ungefragt ein Glas Sekt
auf meinen Klapptisch, ihre Mundwinkel zuckten amüsiert. Selbst Ellen hatte an ihrem Service nichts auszusetzen. Ich steckte
Julia meine Nummer zu, während Ellen schlief. In München machten wir weiter, wo wir vor ein paar Jahren aufgehört hatten.
Als Stewardess auf Langstrecke war sie oft unterwegs, aber in den Wochen, in denen sie keinen Dienst hatte, trafen wir uns
regelmäßig in einem Pasinger Squash Center. Wir spielten eine Stunde und trafenuns anschließend in der Sauna. Dann fuhren wir zu ihr nach Hause in die Innenstadt, frühstückten und vögelten. In dieser Reihenfolge.
Ich mochte den Sex mit Julia und ihrem weichen, nach Shampoo und Feuchtigkeitscreme duftenden Körper. Es war der freundlichste
und anspruchsloseste Sex, den ich mir vorstellen konnte. Vermutlich lag das an der Abwesenheit von Erwartungen und Verpflichtungen.
Zu hemmungslosen Spielchen und exotischen Stellungen trieb uns das nicht an, eher im Gegenteil. Unsere Orgasmen entwickelten
keine große Sprengkraft, nichts blitzte und donnerte in unserem Bett, kein überflüssiges Geräusch drang aus dem Zimmer. Wir
hielten nur kurz die Luft an, und dann entwich unsere Lust in homöopathischen Dosen aus unseren Körpern wie das Aroma einer
aufgeschnittenen Mango. Ich fürchtete, unsere fragile Beziehung würde sofort zerbrechen, wenn wir nur
einmal
darüber sprechen würden, was wir eigentlich miteinander trieben – und ob es überhaupt ein
Miteinander
war. Ich konnte
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