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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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unmöglich zu Julia fahren. Nicht in dieser Verfassung. Überhaupt in gar keiner Verfassung. Ich musste warten,
     bis wir wieder Squash spielten.
     
    Im »Cosy« stand die Luft. Ich suchte den Laden schon ein paar Minuten nach Angie ab, bevor ich sie auf der Tanzfläche entdeckte.
     Es lief der übliche Mist aus aktueller Hitparade und souligen Weichmachern. Philip Bailey und Phil Collins sangen »Easy Lover«.
     Angie tanzte mit weit ausholenden Bewegungen, wie eine propere Ausgabe von Kate Bush. Ich stupste sie kurz an.
    »Sorry.«
    »WAS?«
    »Sorry. Tut mir leid, die Reaktion eben. Ich würde
wirklich
gern mit zu dir kommen. Wenn du nichts dagegen hast.«
    »Auch wenn wir keinen Sex haben?«
    »Auch dann.«
    »Okay.«
     
    Mehr sagte sie nicht. Nur
okay
. Wie: selber schuld. Oder: schön blöd. Angie hatte keine hohe Meinung von sich, das war unstrittig. Wir liefen zu Fuß von
     Schwabing aus über den Stachus bis in die Hans-Sachs-Straße zu ihrer Wohnung. Das dauerte, aber es war eine laue Sommernacht
     und menschenleer leuchtete München tatsächlich hin und wieder. Angie redete die meiste Zeit. Sie schien ihren Sarkasmus mit
     Wodka weggespült zu haben. Als wir vor ihrer Wohnung standen, wusste ich alles über Alex, den Pornodarsteller mit dem Drogenproblem,
     mit dem sie eine On-and-off-Beziehung hatte, oder vielleicht nicht mal das, aber hin und wieder ging sie halt mit ihm ins
     Bett. Das sei sehr geil und jedes Mal eine neue Herausforderung für sie, wer könne sich schon vorstellen, wen Alex so alles
     vor der Flinte gehabt habe. Und dann
sie
. Angie zeigte auf sich wie auf ein peinliches Malheur.
    Ihre Wohnung gab nichts über sie preis. Ihr Mobiliar konnte genauso gut von ihren Eltern stammen wie vom Sperrmüll; das Sofa
     mit seinem lappigen Überwurf, die schiefen Wirtshausstühle am Holztisch, die beiden dürren Pflanzen vor dem Fenster, an der
     Wand grobkörnige Raufaser. Das allein wirkte schon deprimierend genug, aber in ihrer ganzen Wohnung war kein einziges persönliches
     Bild zu finden, kein ungewöhnlicher Gegenstand, nichts, das darauf hinwies, dass hier drin wirklich jemand lebte. Ich fragte
     mich, was ich hier suchte. War mein Leben so armselig, dass ich lieber mit Angie in ihrer anonymen Wohnung Pink Floyd hörte
     und auf den Morgen wartete, statt nach Hause zu gehen und mich auszuschlafen, damit ich morgen in der Frühkonferenz nicht
     wieder vor mich hin dämmerte? Aber ich würde ohnehin nicht schlafen, sondern nur wieder mit dem Auto in der Gegend kreuzen,
     bis ich auf einem Parkplatzan der Wasserburger Landstraße oder im Olympiazentrum anhalten und ein paar Stunden dösen würde. Für diese Fälle hatte ich
     im Müller’schen Volksbad einen Spind gemietet, in dem ich Klamotten zum Wechseln deponierte. Nach diesen Nächten schwamm ich
     dort ein paar Runden und fuhr anschließend in die Redaktion, ohne vorher in meinem Loch vorbeischauen zu müssen. Manchmal
     übernachtete ich bei Freunden oder fand eine junge Studentin aus der Provinz, die noch nicht genug Erfahrung hatte, um mich
     gleich zu durchschauen, aber meistens fühlte ich mich der Herausforderung, in lebhaften Wohngemeinschaften am Gärtnerplatz
     oder in Haidhausen aufzuwachen, nicht gewachsen.
     
    »Was ist das Mieseste, was dir im letzten Jahr passiert ist?«, fragte Angie, kurz nachdem sie Ideal aufgelegt hatte und Annette
     Humpes verächtliche Stimme durch Angies Wohnungklirrte.
    »Als meine Freundin Phil Collins als Soundtrack für unseren Farewell-Sex auflegte«, sagte ich leichtfertig. Es war ein Reflex.
    »Damit kommst du nicht durch«, antwortete Angie.
    »Stimmt aber.«
    »Wusstest du’s da schon?«
    »Dass es sich um Phil Collins handelt?«
    »Dass es euer letzter Sex sein würde.«
    »Nein. Dann hätte ICH mich um die Musik gekümmert.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Was hättest du ausgewählt?«
    Gute Frage. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Warum auch. Das hier war doch wieder nur Schattenboxen.
    »Okay. Der mieseste Moment war, als ich zugeben musste, dass ich mich an Ellens Stelle auch verlassen hätte.«
    »Oh. Das ist hart.«
    »War es auch.«
    »Was ist dein Problem?«
    »In ihren Worten: Antriebslosigkeit. Perspektivlosigkeit. Fehlender Ehrgeiz.«
    »Und in deinen Worten?«
    »Fatalismus.«
    »Aha. Und wie äußert sich der?«
    »Durch Antriebslosigkeit, Perspektivlosigkeit und fehlenden Ehrgeiz.«
    Angie lachte leise.
    »Die Frau kann froh sein, dass sie dich los

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