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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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keine Intimitäten.
    Kurt Tucholsky
    »Hast du mal Feuer?«
    Sie schien etwa zwei, drei Jahre älter zu sein als ich und war eigentlich nicht mein Typ. Ein hübsches Gesicht, lange, braune
     Haare, die sie mit Schwung zurückwarf, wenn sie sprach. Sie war kräftig, mit einem gebärfreudigen Becken, wie man das wohl
     nennt, wenn man sich nicht allzu unhöflich ausdrücken will. Sie gehörte zu den Frauen, die man nicht direkt als korpulent
     bezeichnet hätte, aber auch nicht mehr als schlank, alles war so ziemlich
an der Grenze
, bis auf den kleinen Busen, der nicht zum restlichen Körper zu passen schien. Als Angie mich um Feuer bat, registrierte ich
     all das natürlich nicht sofort. Wir saßen gegen eins auf einer kleinen Mauer vor einer Diskothek am Elisabethplatz, die in
     München als Aufreißerschuppen galt. Ich hatte nach meinem Spätdienst in der Redaktion keine Lust gehabt, in meine kleine Wohnung
     nach Milbertshofen zu fahren, in die ich vor kurzem gezogen war. Eine Übergangslösung, hoffte ich. Das ist das Unangenehme
     nach Trennungen: Man verliert nicht nur die emotionalen Pfeiler seines Lebens, sondernauch die Berechtigung, weiterhin bei »Schöner Wohnen« mitzumachen. Aus der Dreizimmer-Altbauwohnung mit Südbalkon im Szeneviertel
     wird innerhalb von ein paar Tagen eine Muffbude im Souterrain in einem miesen Viertel, weil
sie
natürlich die Wohnung behält (oder beide ausziehen müssen, weil sich anständige Wohnungen in München nur Doppelverdiener leisten
     können).
     
    »Tut mir leid, ich bin Nichtraucher. Sportler.«
    Ich grinste müde.
    »Ist aber nicht sehr sportlich, um diese Zeit noch hier rumzuhängen!«
    »Das stimmt wohl. Aber ich trinke auch nichts, vielleicht fällt das ja strafmildernd ins Gewicht.«
    »Noch ein Grund weniger, hier zu sein.«
    Das Mädchen verfügte über einen trockenen Humor.
    »Ich bin übrigens Markus.«
    »Angie.«
    »Von Angelika?«
    »Von gar nichts. Angie.«
    Sie betonte ihren Vornamen ohne jeden Anflug von Extravaganz:
Anschi
.
    Ich blickte sie zum ersten Mal richtig an. In München machten Mädchen Aufhebens um sich. Dass eine in lakonischen Halbsätzen
     sprach, war selten. Ich schaute noch einmal hin. Kein Perlenkettchen, keine High Heels, null Bling Bling. Ein schwarzes Leinenkleid,
     Ledersandalen. Das Nötigste, würde ich sagen.
    »Was hast du für eine Entschuldigung?«
    »Um an einem Dienstag in der Nacht vor dem ›Cosy‹ rumzustehen? Gibt’s dafür eine?«
    »Keine glaubwürdige. Lass dir was einfallen.«
    »Einsamkeit?«
    Sie schaute mich an. Ich wich ihrem Blick aus. Das hätteauch meine Antwort sein können, allerdings hätte ich eher auf den Boden gerotzt, als sie auszusprechen. Ihr Sarkasmus überforderte
     mich und machte mich gleichzeitig neugierig.
    »Liebeskummer?«
    »So eine Art.«
    »Soll heißen?«
    »Ich schlafe mit einem Typen, der bei Pornos mitmacht, um sein Kokainproblem auszubauen.«
    Angie schien nicht der Typ zu sein, der Witze machte.
    »Echt?«
    »Echt. Und ich mag ihn wirklich sehr. Und du?«
    »Wo soll ich anfangen?«
    »Am Anfang.«
    »Zu viel. Wie wär’s mit einer Zusammenfassung: Meine Freundin hat mich nach vier Jahren verlassen, ich lebe jetzt wieder in
     einem Loch, ich arbeite für eine Zeitung, die den Bayernkurier am liebsten rechts überholen würde, und bumse regelmäßig mit
     einer Bekannten nach dem Squash.«
    »Uih, das klingt miserabel. Vor allem der Teil mit der   … nein, alle Teile.«
    »Fühlt sich auch genauso miserabel an.«
    Sie lachte. Theoretisch war das eine ziemliche unpassende Reaktion. Ich lachte zurück.
    »Ich such mal jemanden, der Feuer hat.«
    Angie verschwand wieder im »Cosy«. Ich rechnete nicht damit, dass sie noch mal auftauchen würde und rekapitulierte unser kurzes
     Gespräch. Ein paar Sätze, in denen ich aufrichtiger gewesen war als zu all meinen Freunden. Offiziell verkraftete ich die
     Trennung von Ellen gut. Fünf Monate lag sie jetzt schon zurück. Wir hatten uns einfach
auseinandergelebt
, wie ich es formulierte. Ich hatte sogar einen Text über das Ende unserer Beziehung geschrieben, in dem ich mich über mich
     selbst lustig machte, aber so tat, als sei es ein Problem von
allen
Männern. Es ging darum, dass michder Schlussstrich meiner Freundin vollkommen überrascht hatte. Gut, wir hatten ein paar Probleme (und lange keinen Sex mehr),
     aber ich dachte immer noch, dass
grundsätzlich
zwischen uns alles in Ordnung sei.
    »Erst merken sie nichts, und dann heulen

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