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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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religiösenTrakt, getrennt waren. Zur rechten Hand stand das Gästehaus, das über zwei Eingänge verfügte, so dass Fußreisende und Reiter in unterschiedlichen Schlafräumen untergebracht werden konnten. Zur linken Hand stand das Schulhaus. Mehrere Kinder sagten gerade lateinische Verse auf.
    »Der Abt hat mir aufgetragen, Euch in seine Kammer zu führen«, sagte der Pförtner.
    »Ich dachte, dass niemand den Klaustralbereich betreten darf!«
    »Unser Abt stellt seine eigenen Regeln auf.«
    Der alte Mönch humpelte über das gemähte Gras voran. Dankwart hatte schon mehrmals im Gästehaus eines Klosters genächtigt, aber den religiösen Trakt hatte er noch nie betreten. Interessiert spähte er nach allen Seiten aus und nahm erstaunt wahr, dass die Mauern eine Welt voller Betriebsamkeit bargen. Für das Stundengebet hatten die Mönche ihre Arbeiten unterbrochen. Die Pforte zum Kräuter- und Gemüsegarten stand offen. Bei der Schmiedehütte lag ein Blasebalg auf dem Boden; in dem Kohlekessel steckte ein glühendes Eisen.
    Durch ein Portal betraten sie einen Steinflur und schließlich den Kreuzgang. Die Arkaden des Umgangs waren zum Hof hin offen. Sie stiegen eine Treppe hinauf und durchquerten einen langen Gang, bis ihnen der alte Pförtner eine massive Holztür aufhielt, die in eine kühle, schattige Kammer führte. »Setzt Euch dort auf die Bank!«
    Dankwart und Hartmann nahmen Platz. Der Junge umfasste die Holzkante und ließ seine Füße baumeln. Es dauerte
nicht lange, bis der Abt von der Messe zurückkehrte. Mit einem flüchtigen Seitenblick auf die Wartenden ging er zu einer Holztruhe und verstaute ein Buch.
    »Rück die Bank heran«, sagte er, »damit ich euch besser sehen kann. Ich hab nicht viel Zeit.«
    Aus dem Reisesack zog Dankwart eine Schenkungsurkunde, die auf rotem Wachs das Siegel des Herzogs trug. »Für die Ausbildung meines Sohnes überschreibt Euch der Herzog einen Herrenhof bei Roggenbach.«
    Der Abt nahm das gefaltete Pergament entgegen und legte es unbesehen in eine Schatulle. »Ich selbst leite die Novizenschule«, sagte er. »Ein junger Weltgeistlicher, Jean de Reims, der an der Pariser Kathedralschule ausgebildet wurde, wird Euren Sohn an der externen Schule in die redenden Künste des Trivium einführen: Grammatik, Rhetorik und Dialektik. Sie bilden die untere Stufe der artes liberales. Man nennt sie freie Künste, weil sie ursprünglich als die eines freien Mannes würdigen Künste erachtet wurden.« Er warf Dankwart und Hartmann einen missbilligenden Blick zu. Dann wies er den wartenden alten Pförtner durch einen Fingerzeig an, den Jungen fortzuführen.
    »Ehrwürdiger Vater«, sagte Dankwart und erhob sich, »mir scheint, dass wir alles besprochen haben. Mit Eurer Erlaubnis entferne auch ich mich, um Eure Zeit nicht weiter zu vergeuden.«
    »So soll es sein«, sagte der Abt.
    Dankwart war die Geringschätzung nicht entgangen, doch wenn er die Klostermauern verließ, würde sein Sohn dem Abt ausgeliefert sein. Hartmann soll durch mein Verhalten kein Nachteil entstehen, dachte er und trat aus der
Kammer. Die kleine Gruppe verließ das Gebäude und den Klosterhof.
    »Unser Abt hat ein kaltes Herz«, sagte der alte Pförtner, »aber er ist ein gelehrter Mann. Das Wissen um die Heilige Schrift und um die Lehre Benedikts macht ihn zu einem würdigen Vertreter Christi. Wenn Euer Sohn sich an die Regeln hält, gibt es keinen Grund zur Sorge.«
    Wenn er sich an die Regeln hält!, wiederholte Dankwart im Geiste. Aus Erzählungen wusste er, wie streng und freudlos es in einer Klosterschule zuging, und er fragte sich, wann sich bei einem Kind zeigte, ob es sich anpassen konnte oder nicht. Er konnte nur hoffen, dass sein Sohn stark genug war, um die lieblose Erziehung auszuhalten.
    »Nehmt jetzt Abschied«, sagte der Pförtner. »Ich muss den Jungen zu unserem Cellerar führen, damit er ihm noch vor der Non Wachstafel, Griffel und eine Decke aushändigt.«
    Dankwart sah auf seinen Sohn herab.
    »Herr«, sagte Hartmann, »wenn Ihr reitet, vergesst mich nicht. Ich will nach Hause. Mutter wartet bestimmt schon mit dem Haferschleim auf mich.« Seine großen, fragenden Augen füllten sich mit Tränen.
    Gerührt beugte Dankwart sich hinab. »Mein Sohn, du wirst es noch nicht verstehen, aber ich kann dich nicht mitnehmen. Es schmerzt mir in der Seele und in meinem Herzen, aber eines Tages wirst du wissen, warum. Vergiss nicht, dass wir jeden Tag für dich beten und an dich denken werden, deine Mutter und

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