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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir weitaus besser als dieses ständige Zaudern und Zetern.«
    »Vater!«, murmelte der Thronfolger erneut.
    »Die Winterabende sind lang«, entschied der Herzog, »und vielleicht beschert uns sein Gesang Abwechslung. Ich will sehen, was er kann. Johanna, du bekommst einen Mitstreiter: Der junge Hartmann möchte ein Lied vortragen. Händige ihm deine Harfe aus und setze dich zu uns.« Berthold klopfte Hartmann aufmunternd auf die Schulter. »Keine Sorge - du stehst unter meinem Schutz. Ich hoffe nur, dass du nicht zu viel versprochen hast.«
    Erst jetzt wurde Hartmann bewusst, wo ihn seine Eingebung hingeführt hatte: in das Zentrum aller Aufmerksamkeit! Er erhob sich vom Schemel und schritt durch den Palassaal. Seine Beine fühlten sich so steif an, als gehörten sie einer Holzpuppe. Dies ist der Ort, von dem du im Lazarett geträumt hast, rief er sich ins Gedächtnis. Dies ist deine Chance! Verlier jetzt nicht den Mut. Zeig ihnen, was du kannst. Vielleicht ist das die einzige Chance, die du jemals bekommst . Mit zittrigen Händen nahm er das Instrument von der Hofdame entgegen und zwang sich zu einem Lächeln. »Danke!«
    »Viel Glück!«, sagte Johanna leise.

4.
    Dumpf starrte August vor sich hin. Ein Kind? Hatte sein Weib etwas von einem Kind gesagt?
    Er musste der Angelegenheit auf den Grund gehen. Wenn Judith ihn umsonst um seine wohlverdiente Nachtruhe gebracht hatte, würde sie die Abreibung ihres Lebens bekommen - so viel stand fest. Ächzend stemmte er sich auf die Füße, gürtete sich das Schwert um die Hüften und trat auf den Hof. »Heiho!«
    Sofort erschien der Knecht in der Tür der Gesindehütte. In seinem Rücken zechten einige Bauern.
    »Hast du mein Weib gesehen?«
    »Zuletzt am Nachmittag!«
    »Dann mach das Tor auf.«
    August führte das Pferd aus dem Stall, trabte zum Hasgelhof und saß ab. Mit der Faust schlug er gegen die Tür und wartete, bis seine Schwiegermutter ihm öffnete. Mechthild hatte sich noch ein Wollhemd übergezogen, und ihre Hände griffen in den Nacken, um sich die offenen Haare aus dem Ausschnitt zu ziehen.
    »Wie machst du das nur?«, fragte August. »Sogar nächtens siehst du so rosig aus wie ein junges Mädchen.«
    »Du sollst dich nicht über mich lustig machen«, erwiderte Mechthild. Trotzdem sah man ihr deutlich an, wie sehr sie sich über das Kompliment freute. »Was willst du?«
    »Deine Tochter ist wieder fortgelaufen. Ich habe keine Ahnung, wo sie steckt.«
    »Es tut mir leid, dass es dem Mädchen an Gehorsam mangelt. Dabei hab ich alles getan, was man von einer Mutter erwarten kann.«

    »Du bist die Beste - das weiß ich doch. Ich würde dir niemals einen Vorwurf machen.«
    »An deiner Stelle würde ich es auf der Adlerburg versuchen. Seitdem sie mit dir verheiratet ist, bin ich ihr nämlich nicht mehr gut genug.«
    August verabschiedete sich, saß auf und ritt durchs Tal. Die Hufe polterten über die Holzbrücke und erreichten schließlich den gewundenen Pfad. Nebelhaft kam ihm eine Versammlung in den Sinn, die das Verschwinden des Pfaffen Lampert aufklären sollte. Der Dorfschulze hatte doch tatsächlich die Dreistigkeit besessen, ihn vor allen zu fragen, ob er den Aufenthaltsort des liederlichen Pfaffen wisse. Eines Tages würde Dankwart für diese Frechheit zahlen müssen, einesTages würde August vollenden, was sein Vater begonnen hatte - nur nicht heute. Auf keinen Fall durfte er den Dorfschulzen unterschätzen. Im Schwertkampf wies Dankwart Fertigkeiten auf, die ihn zu einem ernst zu nehmenden Gegner machten. Der freie Bauer ritt auf den Hof und spähte nach Dankwarts Schlachtross aus.
    Unterdessen trat Agnes vor das Steinhaus. »Was willst du?«
    »Ist der Dorfschulze da?«
    »Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Du hast hier nichts zu suchen!«
    August forschte in ihren Zügen. »Also nicht!«, sagte er und rutschte vom Rücken des Pferdes. Er schob Agnes beiseite und trat in den Wohnraum. Seine Ehefrau lag auf der Strohmatratze. Daneben kniete die Schwiegertochter des Dorfschulzen und wischte ihr mit einem Stück Linnen den Schweiß von der Stirn.
    Agnes lief um den freien Bauern herum und versperrte
ihm den Weg. »Sie braucht jetzt Ruhe. Sie hat viel Blut verloren. Jede Bewegung kann die Wunde in ihrem Leib erneut aufreißen.«
    August starrte das Weib des Dorfschulzen an. Ihre Augenbrauen waren dicht und schwarz und standen in einem deutlichen Kontrast zu dem langen, grau melierten Haar. Sie sieht aus wie eine Hexe, dachte er. »Mach den Weg frei,

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