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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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sonst...«
    »Sonst was? Willst du mir drohen? Das würde ich mir gut überlegen.« Mit voller Wucht stieß Agnes dem freien Bauern vor die Brust. »Ich habe dich nicht eingeladen, in mein Haus zu kommen. Verschwinde endlich!«
    »So langsam reicht’s mir!«, sagte August und griff nach seinem Schwert. Die Klinge scharrte schon an der metallenen Scheide, als die Schwiegertochter herantrat und ihre Hände auf Agnes’ Schultern legte.
    »Mutter«, sagte sie. »Wir können es ihm nicht verwehren. Judith ist sein Weib. Er kann sie behandeln, wie er will.«

5.
    Verzweifelt beobachtete Agnes, wie der freie Bauer an das Bett trat. Sein Fuß stieß gegen die Holzschüssel und brachte das blutrote Wasser zum Überschwappen. Wie einen Hafersack lud er sich Judith auf die Schulter. Sie kam nicht zu Bewusstsein, sondern gab nur ein Stöhnen von sich. Ihre Arme baumelten leblos herab.
    »August!«, sagte Agnes. »Hast du nicht verstanden? Dein Weib hatte eine Fehlgeburt. Sie braucht dringend Pflege.«

    »Glaubst du wirklich, dass ich so dämlich bin? Ich hab es schon begriffen. Sie taugt nicht mal zum Kinderkriegen.«
    Agnes folgte ihm nach draußen. »Wo bringst du sie hin?«
    »Ich bringe sie heim. Da gehört sie hin.« August warf den schlaffen Leib über den Rücken des Pferdes und wuchtete sich in den Sattel. Als er den Kopf des Tieres herumriss, griff Agnes ihm in die Zügel.
    »August, hör mir zu. Was sollen die Leute von dir denken, wenn du ihr die Hilfe versagst? Wer soll dir das Heim herrichten und die Mahlzeiten zubereiten, wenn sie stirbt? Ich kenne mich aus in den Heilkünsten. Wenn du es erlaubst, möchte ich dein Weib pflegen, bis sie wieder zu Kräften kommt.«
    »Lass sofort los!«
    Agnes ließ die Hände fallen und senkte demütig den Kopf. Sie hoffte inständig, dass sie den richtigen Ton angeschlagen hatte. In diesem Moment mussten ihre persönlichen Gefühle zurückstehen. Es ging einzig und allein darum, Judith das Leben zu retten.
    »Wenn du an meine Tür klopfst und mich um Verzeihung bittest, lass ich dich vielleicht eintreten«, sagte der freie Bauer und trat dem Pferd in die Flanken. »Heja!«
    »Ich danke dir!«, sagte Agnes und blieb mit gesenktem Kopf stehen, bis Pferd und Reiter von der Dunkelheit verschluckt wurden.
    »Ich begleite dich, Mutter!«, sagte die Schwiegertochter.
    »Nein«, erwiderte Agnes und strich ihr zärtlich über die Wange. »Es ist besser, wenn ich alleine gehe. Außerdem muss jemand hierbleiben, um Dankwart und Heinrich auszurichten, dass sie so schnell wie möglich zum Hof
des freien Bauern kommen sollen, um...«, Agnes wählte die Worte mit Bedacht, »um zu sehen, ob ich noch etwas brauche. Geh jetzt ins Haus und stecke zwei saubere Tücher, drei Holznäpfe, den Mörtel und ein Messer in den Sack. Ich laufe in der Zwischenzeit zum Vorratsstall und hole einige Kräuter. Hast du verstanden?«
    »Hab keine Sorge. Alles wird bereitliegen, wenn du zurückkommst!«

6.
    Am nächsten Morgen würgte Hartmann einen halben Laib Brot herunter und spülte mit frischer Milch nach. Gähnend zog er sich aus der Küchenbank und trottete auf den Burghof.
    »Gott schütze Euch, mein Prinz!«, sagte er, als er den Thronfolger sah. Doch Berthold der Jüngere wandte sich wortlos ab.
    Hartmann hatte sich mittlerweile an dessen Missachtung gewöhnt. Er gürtete sich das Schwert um die Hüften und erinnerte sich an den gestrigen Auftritt. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob seine Darbietung die Zuhörer unterhalten hatte.
    Gegen Ende des Abends war der Herzog so betrunken gewesen, dass er keinen zusammenhängenden Satz mehr herausgebracht hatte. An der feindlichen Haltung der Edelleute hatte sich die ganze Zeit über nichts geändert. Auch nach dem Auftritt hatten sie ihn wie ein Kriechtier angestarrt, das man bestenfalls unter dem Stiefelabsatz zerquetschte. Nur Johanna hatte ihn im Anschluss gefragt, ob er mit ihr eine Terzone singen wolle. Das Angebot
hatte Hartmann überrascht, aber er hatte schnell seine Fassung wiedergewonnen und in den Vorschlag eingewilligt. Soweit er wusste, sangen Mann und Frau bei der Ter zone im Wechsel, wobei zuweilen auch Strophen aus dem Stegreif erfunden wurden. Die Stimmen umspielten einander wie zwei Liebende. Die Lieder boten viel Anlass zu Spaßen, waren aber zugleich von einer großen Intensität. Vielleicht konnte Johanna ihm mit ihrer Erfahrung ein wenig behilflich sein.
    Der Marschall trat aus dem Palassaal. Er war ein imponierender Mann mit

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