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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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hin offen, aber die Stelle ist so schmal, dass sie ohne viel Aufwand von Uferhang zu Uferhang befestigt werden kann.«
    »Hartmann«, rief der Truchsess, »du musst unbedingt Bruder Stephan berichten, welchen Bauplatz unser Herzog ausgewählt hat, damit es Eingang in die Genealogie findet.«
    »Wenn Ihr es wünscht, Herr«, sagte Hartmann, »erzähle ich Bruder Stephan gleich morgen früh davon.«
    »Und ob ich es wünsche«, erwiderte Berthold und lehnte sich in seinem Thron zurück. »Johanna, warum hast du aufgehört? Ich will dich singen hören.«
    Die Hofdame war von einer eigenwilligen Anmut. Ihr langes, rotblondes Haar war in der Mitte gescheitelt; ihre Oberlippe bildete eine zarte, blassrosa Linie, während sich die Unterlippe trotzig vorstülpte. Zwischen zwei Bogenfenstern saß sie vor einem Wandteppich und hielt die Harfe
auf ihrem Schoß. Hartmann war ihr schon häufig auf dem Schlosshof begegnet, ohne jemals mit ihr gesprochen zu haben. Ihre Finger strichen über die Saiten, und die Töne flossen zu den Männern, die für Augenblicke in ihrem Palaver innehielten. »Niemand kann mir den Mann nehmen«, sang Johanna, »den ich mir im Herzen erwählt habe / und der mich so viel Freude erfahren lässt...«
    Ihre leicht rauchige Stimme ergriff Hartmann. Der Liedtext war ihm fremd und er überlegte, ob die Hofdame ihn selbst gedichtet hatte. Möglicherweise spiegelten die Strophen ihre eigenen Empfindungen wider. Er tauchte so tief in seine Überlegungen ab, dass er nicht bemerkte, wie der Thronfolger quer durch den Saal zum Herzog schritt.
    »Vater«, sagte Berthold V., »Eure Gefährten fühlen sich durch die Anwesenheit dieses Hinterwäldlers gekränkt. Warum habt Ihr ihn an unsere Tafel geladen?« Der Thronfolger ähnelte mehr der Mutter, die sehr fromm war. Seine grauen Augen lagen wie Eisenkugeln in ihren Höhlen.
    »Was stört dich daran?«, fragte der Herzog.
    »Er stört die göttliche Ordnung. Es ist schon eine Zumutung, dass ich mit ihm die Schwertübungen machen muss.«
    »Der junge Hartmann gehört zu uns. Sein Vater hat mir einst das Leben gerettet. Wenn ich mich seiner annehme, verdiene ich mir mein Seelenheil.«
    »Ihr habt Eure Dankbarkeit schon oft genug bewiesen.«
    »Dann war es eben die Rührung, als ich ihn frierend auf den Stufen draußen sitzen sah. Vielleicht rief sein Anblick Erinnerungen in mir wach. Mit seinem hellen Haar sieht er seinem Vater und Großvater zum Verwechseln ähnlich.
Beide haben mir im Kampf mit Treue zur Seite gestanden. Aber vielleicht hast du Recht, vielleicht beleidigt seine Anwesenheit meine Getreuen...« Der Herzog wandte sich an Hartmann: »Du hast den Einwand meines Sohnes gehört. Warum sollte ich dir gestatten, weiter an der Tafel zu sitzen?«
    Alle Blicke richteten sich nun auf ihn. Am liebsten hätte Hartmann eine Entschuldigung gestammelt und wäre aus dem Palassaal geflüchtet, aber plötzlich hatte er eine Eingebung. Das Leben bot einem Mann nur eine begrenzte Zahl an Gelegenheiten. Wenn man sie nicht beim Schopfe packte, durfte man sich später nicht beklagen, dass die sehnlichsten Wünsche unerfüllt blieben. Der Herzog war ihm wohlgesinnt - das hatte er deutlich gespürt. Wer konnte schon sagen, was der Zähringer von ihm halten würde, wenn er feige das Weite suchte? Nein, dies war der Ort, von dem sein Freund und Lehrmeister Blixa ihm erzählt hatte. An der Seite des Herzogs würde die Musik allgegenwärtig sein.
    Hartmann wusste, dass sein Harfenspiel sehr eigenwillig war, weil er es sich größtenteils selber beigebracht hatte. Möglicherweise würden die Edelleute ihn auslachen, möglicherweise zeigten sie gar mit dem Finger auf ihn und jagten ihn bei der nächsten Gelegenheit vom Burghof, aber wenn er jetzt kneifen würde, würde er sich ein Leben lang Vorwürfe machen.
    »Herr«, sagte er, »wenn meine Anwesenheit Eure Getreuen beleidigt, so möchte ich mich entschuldigen. Ich weiß um den Makel meiner Geburt. Trotzdem habt Ihr mir einen Platz in Eurem Gefolge zugewiesen und dafür möchte ich Euch danken, indem ich ein Lied vortrage.«

    »Was?«, rief jemand aufgebracht vom anderen Ende der Tafel. »Jetzt will er auch noch singen, dieser unverschämte Hinterwäldler! Vielleicht will er hinterher gar auch noch Lohn für seine Darbietung einstreichen.«
    »Vater!« Berthold der Jüngere schien fassungslos.
    »Du kannst singen?«, fragte der Herzog.
    »Und auf der Harfe spielen«, erwiderte Hartmann.
    »Mut besitzt du jedenfalls. Das gefällt

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