Der Minnesaenger
Beine. Die Holzräder polterten über den trockenen Grund.
»Ich nehme sie zuerst«, rief ein Spießgeselle.
»Nein, ich«, rief der zweite.
»Nehmt sie doch zusammen!«, sagte Bengt. »Das wäre mal eine nette Abwechslung. Was meinst du, August?«
»Ist mir gleich«, erwiderte der freie Bauer. Er konnte die Erregung seiner Kameraden nicht teilen. Nach der Fehlgeburt hatte sein Weib mehrere Wochen das Bett gehütet und war zu nichts zu gebrauchen gewesen. In dieser Zeit hatte sich seine Einstellung zu ihr verändert. Wenn sie besser aufgepasst hätte, hätte sie das Kind nicht verloren. Selbst die einfachsten Bäuerinnen konnten Schreihälse gebären. Wozu taugte sein Weib, wenn in ihrem Leib seine Saat nicht aufgehen konnte? Warum sollte er seine Spießgesellen hinhalten, wenn es sie so sehr juckte, sein Weib zu besitzen? Er war ihrer jedenfalls überdrüssig geworden. Allein der Gedanke an ihren Schamgeruch ekelte ihn an. Im Grunde ekelte ihn hier alles an. Dieses kleine Dorf mit den kleinen Ackern, der kleinen Kapelle und den kleinen Hütten. Seinetwegen konnte alles in Flammen aufgehen. Natürlich durfte das nicht auf Kosten seines Rufes geschehen.
»Hört zu«, sagte er, »wenn wir gleich ankommen, will ich, dass ihr euch meinem Weib gegenüber respektvoll verhaltet. Ist das klar?«
»Aber August! Du hast doch versprochen, dass wir...«
»Halt einfach die Schnauze, wenn ich was sage, und lass
alles andere meine Sorge sein! Ihr werdet schon auf eure Kosten kommen.«
Die Spießgesellen murmelten ihre Zustimmung und brachten den Ochsenkarren beim Garbenhaufen zum Stehen. »Verdammte Mücken«, fluchte Bengt und klatschte sich auf den Unterarm. Ein anderer kletterte auf die Ladefläche und reichte die Heugabeln herunter. Die Männer zogen ihre Wämser aus, stachen in die Garben und luden sie auf den Karren.
Unterdessen versammelte August die Erntehelfer um sich und stemmte die Hände in die Hüften. »Alle Achtung! Ich bin beeindruckt, wie weit ihr gekommen seid!«
»Wir haben uns solche Mühe gegeben«, sagte der Knecht. »Den ganzen Tag haben wir durchgearbeitet, um das Wetter zu nutzen. Wer weiß, wie lange es sich noch hält.«
»Und dabei habt ihr nicht mal an die Belohnung gedacht, oder?«
»Eine Belohnung? Was für eine Belohnung?«
»Ihr wart so fleißig, dass ich euch einfach eine kleine Freude bereiten will«, sagte August und löste das Säckel von seinem Gürtel. In jede der Hände, die sich ihm flugs entgegenstreckten, legte er eine Kupfermünze.
»Gesegnet seiest du!... Der Herr wache über dir!«
»Nun übertreibt mal nicht«, sagte August bescheiden und zeigte auf den Knecht. »Du kannst aus dem Vorratsstall ein Fass Beerenwein holen und es zum Heimgarten rollen. Heute sollt ihr feiern. Ladet auch die anderen Bauern ein und sagt ihnen, dass sie auf mein Wohl trinken sollen.«
»Ein ganzes Fass Beerenwein?«, rief der Knecht. »Das reicht aus, um das ganze Dorf besoffen zu machen!«
»Dankt nicht mir, sondern dem Allmächtigen. Und nun haut endlich ab, bevor ich es mir anders überlege. Den Rest erledigen wir.«
Miteinander flüsternd und sichtlich gelöst machten sich die Erntehelfer auf den Weg, ihren kleinen Schatz fest in der abgearbeiteten Hand haltend.
»Ach, noch was«, rief ihnen August hinterher. »Ihr könnt so viel trinken, wie ihr wollt, aber auf dem Hof habt ihr heute Abend nichts zu suchen. Ist das klar? Geht, wohin ihr wollt, aber heute Abend will ich meine Ruhe haben! Habt ihr das begriffen?«
9.
Bewegungslos stand Judith an der Schnittkante; sie schaffte es nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Erst als August sie rief, trabte sie zu ihm hinüber. Leicht neigte sie den Kopf, um seine Worte besser zu verstehen. Dann begab sie sich auf den Heimweg.
Was hatte er soeben gesagt? Sie solle sich überall waschen und ein sauberes Hemd überziehen, dann Speis und Trank vorbereiten. War das alles? Im Stillen wiederholte sie seine Anweisungen: Überall waschen, sauberes Hemd, Speis und Trank ... Ah, da war noch was: August hatte noch hinzugefügt, sie solle sich auf die Männer gefasst machen.
Plötzlich blieb sie stehen und blickte zurück über das Feld; sie hatte schon eine große Wegstrecke hinter sich gebracht, ohne es zu merken. Der Himmel färbte sich glutrot. Bald würde es dunkel werden.
Mit diesem Abstand fand ihr Denken wieder zu der gewohnten Stärke zurück: Warum hatte ihr Ehemann die
Erntehelfer weggeschickt? Was suchten seine Spießgesellen hier? Die
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