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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stadt bot ihnen doch viel mehr Abwechslung! Gab es in Aue etwas, das sie unbedingt haben wollten? Und warum hatte August darauf bestanden, dass sie sich waschen sollte?
    Plötzlich hatte Judith einen Verdacht, der so schrecklich war, dass sie ihn kaum fassen konnte. Nein, dazu war nicht einmal ihr Ehemann imstande! Nirgends auf der Welt würde sich ein Mann seinem Weib gegenüber so niederträchtig, so... so... Ihr fiel nicht das passende Wort ein, um ein derartiges Verhalten zu beschreiben. Und trotzdem deuteten alle Hinweise darauf hin. Die Gefahr zeichnete sich so klar ab, als könnte sie mit den Händen danach greifen.
    »Was stehst du da herum?«, brüllte August ihr zu. »Geh endlich heim und wasch dich!«
    Judith beobachtete, wie die Männer ihre Arbeit unterbrachen und zu ihr herüberstarrten. Bengt sagte etwas zu ihrem Ehemann, lehnte die Heugabel gegen den Ochsenkarren und kam auf sie zu. Instinktiv drehte Judith sich um und schätzte die Entfernung zum Waldrand ab. Als sie sich wieder dem Feld zuwandte, bemerkte sie, dass auch die anderen Männer die Heugabeln beiseitegestellt hatten und auf sie zugingen.
    Da wusste sie, dass sie fliehen musste. Ihr Instinkt übermittelte ihr eine klare, unmissverständliche Botschaft. Wenn die erste Gefahr gebannt war, konnte sie immer noch überlegen, wie es weitergehen sollte, aber jetzt musste sie handeln - sofort. Ohne sich noch einmal umzudrehen, warf sie die Holzpantinen von den Füßen, raffte den Rock über die Knie und rannte los.

    »Schnappt sie euch!«, brüllte Bengt. »Lasst sie nicht entkommen!«
    Die Brutalität in seiner Stimme erschreckte Judith. Entsetzliche Dinge würden mit ihr geschehen, wenn sie nicht den Waldrand erreichen würde. Ihre nackten Fußsohlen flogen über die krustige Erde, über Tannenzapfen und Eicheln. Hier war sie aufgewachsen, hier kannte sie jedes Schlupfloch. Im Schutz der Bäume hatte sie eine Chance, ihren Verfolgern zu entkommen. Sie konzentrierte sich auf ihre Schritte, auf ihren Atem und den Grund. Trotzdem hörte sie, wie die Männer Stück um Stück aufholten, wie ihr heiseres Gebrüll immer näher kam. Bald würde sie ihren heißen Atem im Nacken spüren, bald brauchten sie nur noch die Hand ausstrecken, um sie an den Haaren zu packen. Judith biss die Zähne zusammen. Sie ignorierte das Brennen in den Schenkeln, die Atemnot und das Seitenstechen.
    Eines wusste sie mit Sicherheit: Lebend bekommen sie mich nicht!

10.
    Jedes Jahr veranstaltete der Herzog von Zähringen ein Turnier, zu dem Edelleute aus dem ganzen Reich anreisten. Bei dem feierlichen Anlass wurde auch die jährliche Schwertleite, der offizielle Ritterschlag, durchgeführt.
    Am Abend vor den Reiterspielen fanden sich sechs Jungmänner in der Schlosskapelle ein, um sich in Andacht und stillem Gebet auf die Zeremonie vorzubereiten. Im unteren Gebetsraum kniete sich Hartmann neben einen anderen Jungmann von unedlem Geblüt.

    »Ich heiße Burkhard«, sagte er. »Burkhard von Schlatt!«
    Hartmann sah sich zur Tür um und rückte näher. »Ich weiß. Ich hab mich beim Marschall nach dir erkundigt. Du bist der Sohn von Werner von Schlatt, einem Kampfgefährten meines Vaters, der bei der Belagerung der Kelmünzer Burg fiel. Der Marschall hat auch erzählt, dass du nach der Schwertleite am buhurt teilnimmst. Wir werden zusammen auf der Seite der Zähringer kämpfen.«
    Der buhurt war ein Reiterspiel, das ohne Schwert und Lanze durchgeführt wurde. Zwei Verbände traten gegeneinander an und versuchten, den nur mit einem Schild bewaffneten Gegner vom Pferd zu stoßen. Tapfere Krieger waren dabei schon von den Hufen zertrampelt worden.
    »Mir wäre es lieber«, sagte Burkhard, »wenn sie mich vergessen hätten. Natürlich weiß ich, dass die Teilnahme eine Ehre ist, aber ich kann mir wirklich Angenehmeres vorstellen, als mich mit fremden Kerlen rumzuprügeln. Na ja - es hätte auch schlimmer kommen können.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine natürlich Friedrich den Schwarzen! Hast du ihn nicht gesehen? Sogar auf dem Münsterplatz ist er kampflustig herumgelaufen und suchte Streit. Die ganze Zeit hab ich auf meine Füße gestarrt, das kannst du mir aber glauben! Allmächtiger, wenn ich daran denke, dass ich bei den Einzelkämpfen gegen ihn antreten müsste, wird mir ganz anders zumute. Aber das ist ja glücklicherweise nicht möglich. Eine Forderung zum tjost müsste vorausgehen. Und sobald er mir zu nahe kommt, gebe ich Fersengeld - darauf kannst du wetten. Der

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