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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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steilen Wand ist ein Block auf die Straße gestürzt. Kopfgroße Stücke liegen weit verstreut. Ich lenke den Wagen vorbei.
    »Wenn wir nicht getankt hätten«, sagt sie und greift nach meiner Hand.
    »Liebes, dann wäre der Klotz hinter uns herunter gekracht«, sage ich und zünde mir eine Zigarette an. Die Nacht umhüllt uns dicht und feindlich. Auf den letzten fünfzig Kilometern bis Wien schüttet es. Fingerdick sägt der Regen ins Scheinwerferlicht. Wien. Lichtschlangen und Häuserketten und zärtlich müdes Stammeln, während ich sie ausziehe und ins Bett trage.
    Die nächsten Tage; wir leben aufmerksam und liebevoll nebeneinander. Lange gehe ich durch die Straßen, entwerfe den letzten Schlachtplan um sie. Stella, wir fallen ineinander. Ihr Körper bleibt mir. Ihre Seele befreit sich. Dann sind meine Reaktionen die des Zuhälters. Ich trinke, schlage in kühle Augen, und Poren schließen sich unter meinen Fingerspitzen. Ihre Absence realisiere ich kaum. Ich demütige sie stärker, schlage sie. Sie ist krank. Fiebrig, schlaff, ohne Teilnahme liegt sie.
    Schläft in Abgeschiedenheit. Schlaf ist Heilung, weil Trennung. Ärzte kommen, untersuchen.
    »Ich verstehe das nicht. Alle Befunde sind gut«, sagt einer und betrachtet mich gedankenvoll.
    »Eine Infektion vielleicht«, sage ich lahm.
    Es ist zu Ende. Ich suche eine kleine Wohnung, dann trinke ich, und alles übrige berührt mich kaum.
    Die Straße blendet im harten Licht. Glühende Luftkeile auf meiner Haut stoßen ins Hirn. Scharfe Schatten zwischen den Menschen.
    »Hör auf zu trinken. Bitte, hör auf damit. Laß dich nicht so fallen. Graust dir denn immer noch nicht vor dir«, sagt Christa. Vor einer Woche ist sie mir in einem Kaffeehaus begegnet, seither ist sie bei mir. Sie ist eine Hure und verdient gut.
    Sie räumt die leeren Flaschen vom Tisch. Lärm dringt gedämpft von der Straße. Das Bett knarrt. Ich muß mich gegen die Wand lehnen. Die Knie schwimmen mir davon. Christa schüttelt das Tischtuch beim Fenster aus.
    »Bleib liegen, du fällst um«, sagt sie.
    Einen Schluck Wasser, die paar Schritte schaffe ich doch – wie sie mir zusieht, wartet, daß es mich auf die Schnauze wirft. Warum verschwindet sie nicht? Warum läßt sie mich nicht in Ruhe? Ich scheiß auf ihre Fürsorge, du das, du jenes, ich will das nicht mehr.
    »Bring mir ein Glas Wasser«, sage ich.
    Die Türe kreist wie eine Windmühle, ich kann die Klinke nicht erreichen, wenn ich loslasse …
    »Hör auf zu beweisen, wieviel du verträgst. Es imponiert mir nicht. Du bist ein besoffener, hilfloser Niemand. Sag doch, daß du mich hörst. Sag doch etwas!« sagt sie und sieht mich aufmerksam an. Wie eine Spinne die Fliege, die im Netz zappelt. Nein, ich begreife nichts, sage nichts, ich will …
    »Hol mir das Wasser«, sage ich. Die Stimme, ist das meine Stimme, dieses leise Schnarren? Nein, meine Stimme ist laut und deutlich. Jeder kann sie verstehen. Alles ist richtig artikuliert.
    »Deine Stimme ist dunkel und zärtlich«, hat Stella gesagt. Stella hat dunkel und zärtlich gesagt …
    »Leg dich wieder hin«, sagt Christa und nimmt meinen Arm. Springt zurück, weicht meinem Schlag aus. Sie kauert neben mir, drückt ihre Wange an mein Gesicht.
    »Lieber, bitte laß dir doch helfen. Da ist doch nichts dabei. Ich liebe dich. Ich kann da nicht zusehen, wie du dich wegen ihr ruinierst. Stella ist das nicht wert. Sie lacht darüber. Glaub es mir doch«, sagt sie und weint. Ihre Tränen rinnen über meine nackte Brust.
     …Und wenn Stella darüber lacht, so ist es ihre Sache, und sie weiß nicht, wo ich jetzt bin. Wo ich suche. Ich gehe langsam auf sie zu, sie wird mich doch erwarten, und ihr, ihr da um mich, ihr wollt mich nicht gehen lassen. Wenn ich besoffen gehen möchte, wird das wichtig sein. Ich werde sie finden.
    Christa liegt leise schluchzend auf mir. Ich streichle sanft ihr Haar.
    »Laß mich aufstehen. Ich will«, sage ich, aber was, was will ich? Dann sitze ich vor dem Tisch und fixiere das Telefon. Meine Hände sind schweißfeucht gegen die Knie gedrückt. Wenn ich eine Minute nicht atme, dann läutet das Telefon, und Stella ist dran. – Es kann gar nicht läuten, weil ich die Rechnung nicht bezahlt habe.
    »Geh und bezahle die Telefonrechnung«, sage ich zu Christa.
    »Du hast mir das ganze Geld weggenommen und in den Wienfluß geworfen. Ich scheiß auf dein Drecksgeld, das du mit deinem Dreckskadaver verdienst, hast du gebrüllt. Leute wollten dich beruhigen, aber du

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