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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Clubsessel. Ein fleischiges Wesen, hell blondiert, rauscht vorüber, beugt sich über die Theke. Ich schaue auf schwarze, knappe Unterwäsche und gerade Beine. Der Gelockte gibt ihr eine Cola mit Zitrone und Eis. Ich gehe in das Dancing. Über Stufen, nebeneinander geschachtelte Nischen. Der Discjockey in einer Glaskanzel schräg über der Bar langweilt sich. Nach einer Weile bin ich sicher, er schläft. Drei Gäste, ein Mann, zwei Mädchen an einer winzigen Bar. Dann steht eine auf, fragt mich, bringt mir eine Flasche vom selben und einen Kübel mit Eis. Aggressive Musik. Die Blondine erscheint, sitzt dann auf einem Barhocker und lächelt in die lichtschwachen Lampen. Ich hole sie, und die Musik klebt sie an mich. Meine Fingerspitzen kreisen über ihren Hintern, der Schwanz stellt sich gegen ihren Bauch. Bei meinem Tisch ziehe ich sie auf einen Sessel. Sie redet schnell, unverständlich. Honigfarbene Haut, große, schwere Brüste. Whisky trinkt sie begeistert und wie Wasser. Dann gehen wir. Ihre Augen spiegeln, Mond und Straßenlampen sind darin. Die engen Steintreppen zu meiner Terrasse schiebe ich sie hoch. Sie torkelt leicht und prustet vor unterdrücktem Lachen in die vorgehaltene Hand.
    Ich schäle sie aus dem Kleid. Sie geht pinkeln. Ich sitze auf der hüfthohen Terrasseneinfassung und schau auf die fluoreszierende Mondspur im Wasser. Die vielen Gläser, wie immer eine schwache Rechtfertigung. Sie drückt am Schwanz herum. Ich lehne sie verkehrt gegen die Brüstung und stoße in das dampfende Loch. Meine Erregung ist kurz und hart. Dann greife ich ins Blondhaar, trete sie in den Hintern und werfe ihr das Kleid über die Mauer zu. Sie steht starr und nackt im fahlen Licht, schlüpft dann in die Sandalen, ins Kleid. Ich höre noch ihre Schritte über die Stufen hasten.
    Ich hole einen Bademantel und fülle mein Glas. Weit am Horizont sind grelle Felder. Lichtstarke Scheinwerfer auf den Fangschiffen der Fischer. Sehr früh ist die Nacht grau, und ich lege mich ins Bett. Die eisige Dusche und das strahlende Licht verringern die Kopfschmerzen und das Bohrende, Unbefriedigte. Das Mädchen mit der Hasenscharte, das am Vormittag im Restaurant Dienst macht, lächelt lieb unter dem braunen Haar. Der Kaffee, heiß, duftend. Der Hafenkommandant geht zu seinem Boot; heute legt er sein Gesicht in die andere Hand. Das Mädchen poliert Gläser. Eine graue Katze streift um meine Beine, springt dann auf einen Sessel, döst in der Sonne. Ich bin voller Unrast und Sehnsucht. Der Friede da um mich berührt mich nicht. Böse brüte ich in den Vormittag, dann sind die Flaschen leer, und ich bin geduldig und müde.
    Ich gehe ins Restaurant und melde ein Ferngespräch nach Wien an. Der dicke Patron und sein schwuler Sohn tänzeln aufgeregt.
    »Liebster …?« fragt sie.
    »Komm und bleibe hier, oder komme mich holen«, sage ich, und sie spürt es.
    »Ich komme. Ich liebe dich«, sagt Stella weich.
    »Ich liebe dich«, sage ich lahm.
    Sie kommt in den Vormittag des nächsten Tages. Ist um Mitternacht weggefahren. Wir lieben uns, wild, voll Hoffnung. Ich komme – ihre Augen, weit geöffnet, spiegeln ein helles, unerkennbares, abweisendes Licht.
    »Hast du geschrieben?« fragt sie.
    »Kaum. Ich habe nur versucht, die Sache mit meinem Vater zu rekonstruieren. Der Alte ist in meinem Gehirn so oft gestorben, daß er wahrscheinlich unsterblich für mich ist«, sage ich.
    Wir sitzen einige Kilometer von Duino im Villago al Pescatore in einem Restaurant.
    Das Meer ist tief unter uns. Sie sieht mich trinken, ihr Lächeln wird tief.
    »Und das Trinken?« fragt sie und deutet auf die leere Flasche.
    »Das … ist … der Pinsel, mit dem ich den Alltag abschwäche, der Realität die Stoßzähne ziehe, die Scheiße eßbar mache«, sage ich an ihren Augen vorbei.
    »Und die Zerstörung«, fragt sie. Und das Lächeln splittert an ihren Mundwinkeln.
    »Da, schau hinunter, Gleißen und Spiegeln, Wasser oder Glas. Zum Abschied glitzern die Scherben. Das Glashaus, die Glocke, oder wie wir unsere Ausschließlichkeit genannt haben, ich habe es zerstört, deshalb bin ich unglücklich. Dumm, was? Wolken ziehen auf, abends wird das Wasser stumpf und trübe sein. Komm, fahren wir«, sage ich.
    Sie senkt den Kopf. Ihr Gesicht ist verschlossen und fremd.
    Schweigend fahren wir auf der Autostrada Richtung Udine. Dann weiter. Plötzlich schreckt sie hoch. Ich trete scharf die Bremse durch. Wir sind im Kanaltal. Unter einer engen Brückendurchfahrt. Von der

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