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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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abwesend, du bist doch nicht krank«, sagt Mutter.
    »Nein.«
    Im Zug nach Zeltweg sitzt ein Mädchen im Abteil, einige ältere Männer steigen zu. »In die Kaserne fahren Sie? Sehen Sie deshalb so bedrückt aus?« fragt sie mich. Zwei der Älteren mischen sich ein. »Ja, Fräulein, wie wir eingerückt sind, das war etwas … und dann die Ausbildung, hart und brutal, aber dafür haben wir dann an der Front …« Die Geschichten kenne ich, eine Generation von Helden … was sind wir jetzt, Kanaken, weich und lätschert, und weiter, ein blasser, undeutlicher Mensch redet aus der Ecke … »kein Zund ist da heute dahinter, das war damals anders, wir waren noch stolz darauf, die Uniform zu tragen …« Wenn sie alle so waren, warum laufen dann heute so viele Mieslinge herum, oder sind die da von der Etappe, na sicher, oder eben irgendwelche Drückeberger, die gibt und gab es ja immer.
    In Zeltweg warten Militärlastwagen. Als erstes gibt es Geld. Achtzig Schilling, der Sold für die ersten zehn Tage. Dann folgt der militärische Ernst. Haare schneiden. Ich bin die kurzen Haare vom Gefängnis her gewohnt, und das ›Antreten‹, das ›Ruhe in der Reihe‹, das ›Halt‹ und das ›Marsch‹ und und … alles das bin ich gewöhnt.
    Tags darauf Fassen von Uniformen und Gewehr und den ganzen übrigen Ramsch, den man bekommt, um möglichst viel in Ordnung halten zu müssen. Zwischen den ›Neuen‹ schleichen die ›Alten‹ -drei Monate davor Eingerückten, klopfen Sprüche und tyrannisieren – »mal sehen ob Sie sportlich gelebt haben, machen Sie fünfundzwanzig Liegestütze« – natürlich keuchen die ›Neuen‹ und werden ausgelacht- ach ja, Liegestütze – bin ich auch gewöhnt, wenn mir abends in der Zelle langweilig war, habe ich eben gepumpt, so siebzig Stück, manchmal auch mehr. Ich bin einsneunzig und Flügelmann, die Eckstange der Kompanie.
    »Machen Sie fünfundzwanzig«, sagt einer der ›Alten‹.
    »Du kannst fünfundzwanzig aufs Maul haben, du arschgeficktes Russenkind«, sage ich. Er ist klein, dumm und fett, auch noch Gefreiter.
    »Ich werde Sie melden«, sagt er und ist ganz rot im Gesicht.
    »Du kannst mir einen blasen«, sage ich und lasse ihn stehen.
    Er hat mich nicht gemeldet, aber sein mickriges Dasein hat er benutzt, um mir das Leben sauer zu machen.
    ›Klosettdienst-Essenholen-Klosettdienst.‹ Im Wechsel habe ich die beiden Jobs abonniert, bis wir uns zehn Tage später in der Stadt treffen, danach sind die Sonderaufträge vorbei. Exerzieren und im Dreck herumkriechen. Was rede ich, das kennt doch jeder. Immer einer von diesen Idioten da, der herumbrüllt oder befiehlt. Abends komme ich manchmal weg von dem Zirkus – in die Kantine. Ausgang gibt es erst in der zweiten Woche. Die Kantine ist dreckig und laut. Unsere Eierköpfe, Zugführer, Korporale tanzen da auch herum und machen auf wichtig. Alte Lieder orgeln aus der Box. Die Tochter des Kantiniers möchte ich ficken, aber das wollen alle. Ich saufe und troll mich dann. Um zehn ist Nachtruhe.
    Vater kommt auf Besuch. Seine Augen glänzen, es gibt markige Töne: »Ach, wenn ich doch nur noch einmal« – und – »führe dich anständig, ich will stolz auf dich sein«. Ich stehe da und habe gelähmte Stimmbänder. Er gibt mir zweihundert Schilling – »ein Soldat muß hin und wieder etwas trinken«.
    Abends wieder Kantine, saufen, was sonst? In meiner Kompanie sind alle aus dem südlichen Burgenland oder von der Oststeiermark. Ich verstehe die Leute kaum. Manchmal rede ich mit dem Zimmerältesten. Er war auch schon im Gefängnis – zwar nur einen Monat. Er ist mir eine Spur weniger fremd als die anderen.
    Dann endlich Sonntag – Ausgang – vergewaltigt keine Weiber, sagt der Leutnant.
    Zeltweg ist sexuelles Notstandsgebiet. Zu viele Soldaten, zuwenig Weiber.
    Ich fahre ins nahe Judenburg, lerne eine angehende Lehrerin kennen. Sie spricht von ihrer Sendung, ich möchte ficken. Wir liegen im Bad. Ich immer auf dem Bauch. Nach zwei Stunden sagt sie, »… ich darf nur Samstag abends ausgehen, meine Eltern sind sehr streng …«
    Ich nehme sie in die Arme, an der Hüfte spürt sie meinen erregten Schwanz. Sie küßt mit geschlossenen Lippen, später mit offenen.
    Bis Samstag sind es sechs Tage- wie heißt das … ach ja, Erotomanie. Ich begleite sie bis zum Bus. Hinter einem Gebüsch stecke ich ihr wenigstens die Finger in die Spalte, damit ich etwas zum Riechen habe.
    Abends hocke ich trübsinnig in einem Kaffeehaus. Irgend etwas tun.

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