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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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Zuschauern im Raum habe ich den Psychologen entdeckt, den meine Eltern immer vorausgeschickt haben, wenn sie etwas von mir wollten, sollte er mir wieder etwas mitzuteilen haben …
    Nach den Zeugen spricht der Sachverständige. Er ist der Mann, der mich als zweiter im Gefängnis untersucht hat. Die Quintessenz seines endlosen, mit vielmaligem »Nächster Absatz« zur Gerichtsstenografin hingespickten Vortrages ist, Anwendung des Trunkheitsparagraphen 523, da sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem pathologischen Rauschzustand befunden hat.
    Der Staatsanwalt versucht gegen dieses Bollwerk in seinem Plädoyer Sturm zu laufen, resigniert aber und begnügt sich damit strengste Bestrafung zu fordern.
    Mein Rechtsanwalt spricht ruhig und gelassen und fordert das Gericht auf, die Strafe mit der anzurechnenden Untersuchungshaft verbüßt sein zu lassen.
    Das Gericht berät eine Viertelstunde – dann wird das Urteil verkündet.
    Ein Jahr Arrest – verbüßt, da die U-Haft angerechnet wird. Der Staatsanwalt verläßt ohne Erklärung den Gerichtssaal – ich bin frei, Menschen reden auf mich ein –, plötzlich stehe ich allein meinem Vater gegenüber.
    Er gibt mir die Hand.
    »Wir wollen nie mehr darüber reden. Du bist sehr jung, du kannst ganz von vorne beginnen. Wir, Mutter und ich, werden dir dabei helfen.«
    Ich würge ein »Danke« hervor, mehr ist da nicht.
    Hinter uns steht der Psychologe – ganz Herr der Lage –, fettgesichtig, dünnhaarig, mit vielen Worten.
    Im Gefängnis waren wenige Worte, ich war dort die meiste Zeit allein, wie soll ich nun hier mit diesen vielen Worten sein?
    Später sitzen mir im Restaurant mein Vater und der Psychologe gegenüber.
    »Dein Vater meint, daß es wohl das beste sein wird, wenn du sofort anschließend an die Haft die Militärdienstzeit erledigst. Ich stimmte ihm dabei voll zu«, sagt der Psychologe.
    Es ist ein herrlicher Tag. Der Vater sieht an mir vorbei.
    Ich lehnte mich in den Stuhl zurück, die Sonne ist ungewohnt auf meiner Haut. Wie war doch ein oftmaliges Thema zwischen Vater und mir, ›wenn du dich zum Militär verpflichtest, so kannst du trotz dem Vorgefallenen noch einen Aufstieg schaffen‹, sagte er. Der Dienst bei der Armee war für ihn Ehrensache. Er sagte es vor einem Jahr und früher. Selten hatte ich hingehört.
    »Ich meine, Disziplin und Ordnung können dir jetzt nicht schaden, das wird dich bei dem Neubeginn nur unterstützen«, sagt der Vater. Der Psychologe nickt zustimmend, »sicher, und die harte Ausbildung wird ihn nicht stören. Er war doch immer sehr sportlich«, sagt er laut.
    So sieht also die Starthilfe aus. Was habe ich mir erwartet?
    Das Bundesheer – neun Monate. Von Schikanen habe ich genug und Disziplin, die wollen sie mir beim Heer beibringen, jetzt nach einem Jahr Gefängnis, Exerzieren, Grüßen, Strammstehen, dazwischen einen Fetzen Zeit, um Luft zu holen. Ja, das Hände an die Hosennaht – das ist es, was ich nun brauche. Keine Zeit haben dürfen für sich selber, keine Zeit. Die Knastrelikte, die im Hals stecken, nichts hinunterwürgen können, weil frische Scheiße nachkommt.
    Sie sollen meinen guten Willen sehen.
    »Gut, wann soll ich da hin?« frage ich. Eine Wespe torkelt um meinen Glasrand, surrt weg.
    »Ich habe das so arrangiert, daß er heute gleich gemustert wird, er kann dann am ersten Juli schon einrücken«, sagt der Psychologe.
    Nach dem Essen begleitet er mich in die nahe Kaserne. Ein dicker Oberstleutnantarzt begutachtet mich, reißt zwei trübe Witzchen und stellt dann fest, ich sei A-tauglich. Daneben ein Büro. Ich werde eingeteilt. Gebirgsjäger, Ausbildungskaserne Zeltweg, Steiermark. Marschbefehl zum Einrückungstermin am ersten Juli 1963.
    Wieder zu Hause, bin ich fremd in den Räumen. Mutter spielt die Platte vom Jungen, der bald wiederkommen soll und weint. Vater macht ein ernstes Gesicht.
    Die vier Tage bis zum ersten Juli bin ich locker, rede wenig.
    Karin ist im Ort, auch ihr Vater ist da. Manchmal sitze ich im Hof unter dem alten Nußbaum und höre dem alten Mann zu. Im Bad treffe ich Robert. Wir reden, doch da ist eine Grenze. Deutlich und spürbar scharf. Er erzählt von Sylvia – ach ja, wie die Zeit vergeht – verheiratet soll sie sein – ich kann mich nicht mehr an sie erinnern.
    Mit einem Mädchen liege ich auf der Decke. Gehe dann mit ihr in die Kabine, ziehe ihr Bikinihöschen herunter, sie lehnt sich gegen den Sitz. Von rückwärts ficke ich sie und starre auf die Bretterwand.
    »Du bist so

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