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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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berauben.
    »Das gibt zwei Jahre, Kleiner, das weißt du ja«, sage ich.
    »Ja, ich weiß es«, sagt er leise.
    Meistens arbeiten wir schweigend. Ich rede nicht gerne und er scheint das begriffen zu haben. Der Beamte fragt mich, wie er sich bei der Arbeit macht.
    »Er ist ruhig und fleißig«, sage ich.
    »Gut, dann soll er eine Weile bei dir heroben arbeiten. Wir haben nicht viel Arbeit in der Werkstätte«, sagt er.
    Der Junge strahlt über das ganze Gesicht. Es ist Freitag. An diesem Tag bekommen wir den Einkauf. Er kommt, trägt einen ganzen Packen vor sich her, dann beginnt er, Wurstbrote zu machen und Schokoladestückchen zu brechen. Es ist kurz nach dem Mittagessen, doch an einem solchen Tag wird nicht viel von der Gefängniskost gegessen.
    Ich liege auf dem Bett und drehe mir eine Zigarette. Ein Beamter sperrt die Türe auf. Er besieht sich aufmerksam meinen Arbeitsplatz, dann sagt er zu dem Jungen:
    »Eure Arbeit ist fertig, du kommst in deine Zelle mit, los, nimm dein Zeug.«
    »Wir arbeiten wie die Idioten den ganzen Tag und Sonntag dazu - manchmal wollen wir uns auch ausrasten. Und dieses Alleinsein kotzt mich langsam an, ich möchte auch hin und wieder in Ruhe mit jemandem reden, nicht bloß mit den Zellenwänden«, sage ich.
    Der Beamte sieht mich groß an. Man ist nicht gewohnt, viel von mir zu hören, er brummt vor sich hin, dann geht er.
    »Danke, daß ich hierbleiben darf«, sagt der Junge.
    Er steht vor mir, plötzlich nimmt er meine Hand und küßt sie. Ich stoße ihn weg.
    »Sag, Kleiner, bist du schwul?«
    »Du kannst mich schlagen … wenn du willst, aber schick mich nicht weg … du verstehst das vielleicht nicht … du bist mir einige Male ganz leicht über den Kopf gefahren … du hast gesagt, ›Kleiner, keine Angst, ich erledige das schon‹ … du erinnerst dich vielleicht gar nicht, du hast beim Spazierengehen vor zwei Wochen einem eine Ohrfeige gegeben … seither läßt mich der in Ruhe, weil er glaubt, daß …«, sagt er und stockt.
    »Was daß?« frage ich und weiß es.
    »Daß ich eben dir gehöre, und deswegen quält mich auch keiner … du weißt das ja nicht, du bist ja nie in der Werkstätte, und wenn du dir Material holen kommst, dann kuschen sie ja.«
    Immer dasselbe Lied, wenn ein Junge so aussah, dann versuchten sie es eben, ich kannte das von meiner ersten Haft her. Ein Spiel, sich einen Jungen wie ein Mädchen abzurichten, und gar nicht mal schwer zu erreichen. Die meisten Jungen aus den Heimen waren alle angestochen, der da vor mir ebenfalls.
    Ich schaue den Jungen lange an, er weint. Große, dicke Tränen laufen über seine Wangen, seine mageren Schultern zucken. »Hör auf zu weinen und paß mal auf. Ficken werde ich dich nicht, vielleicht darfst du mir einen blasen, kannst du es gut?«
    Er weint und nickt, dann bringt er mir die Brote ans Bett, später die Schokolade.
    Es muß ein großer Schmerz sein, oder ein großes Glück, das er sich da herunterheult. Nach dem Essen spiele ich eine Partie Schach mit ihm.
    Mutter kommt zu Besuch. ›Du sollst an Vater einen Brief schreiben, wirst du es tun?‹ sagt sie. Sie läßt mir wieder hundert Schilling da. Am Wochenende sitze ich über einem Blatt Papier. Der Brief an meinen Vater. Kein Wort, das Blatt ist auch nach Stunden noch leer. Endlich quäle ich ein paar Worte hin. Banales Gestammel, es gibt nichts, was man in diesem Fall schreiben kann. ›Es tut mir leid, daß ich versucht habe, dich umzubringen‹, oder ähnlichen Unsinn. Der Untersuchungsrichter stochert mit spitzer Nase zwischen den Zeilen.
    Es ist warm. Der Frühling nur in der Sonne spürbar, es gibt kein Grün in den Höfen, klopft in meinen Schläfen. Viele Monate bin ich schon in Haft. Karin hat mir geschrieben. Eine sonderbare Welt macht sich bemerkbar – Sätze tauchen auf … wenn du wieder frei bist – Himmel, ja, was wird dann sein. Ich schiebe Kulissen davor, Gefängnistage, routiniertes Vergessen.
    Ein zweiter Psychiater läßt mich holen. Dieselbe Unterhaltung, die gleichen Gesten, ähnliche Worte, ein Händedruck, zwei Stunden später kann ich gehen.
    Ich werde zum allgemeinen Spaziergang zugelassen, es wird ›Abschießen‹ gespielt.
    In den Schulen erschien mir dieses Spiel immer als Inbegriff des unmännlichen Spiels. Hier im Gefängnis wird es mit ungeheurer Brutalität gespielt. Wenige, aufeinander eingespielte Gefangene, werfen sich in immer schnellerer Folge den Ball zu, bis das ausgewählte Opfer unmittelbar vor dem Ball ist. Mit

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