Der Minus-Mann
so, i bin jo net terisch«, sagte er und kratzte sich mit dem Zeigefinger am Ohr.
»Jeda hot Ihna bis jetzt’z leise gredt und i red Ihna’z laut, des is scho komisch«, sagte ich und erwartete einen Wutanfall. Er holte Luft, wollte mich wahrscheinlich niederbrüllen, dann aber lachte er plötzlich schallend.
»Raubasbua, zruckredn tuast, mia wean da de Wadin viari richtn, du Pücha du«, sagt er, mich vergnügt anfunkelnd.
Nach dem Duschen erhält jeder einen Binkel mit den üblichen Utensilien (Decken, Leintücher usw.).
Tags darauf die ärztliche Untersuchung.
Wir warten in Reihen vor der Ordination, im Anstaltsspital, einem separierten Gebäude in der Nordwestecke des Areals.
Ein weißhaariger Beamter hört unserem Gespräch zu. Nach einiger Zeit winkt er mich zu sich.
»Wollen Sie hier im Spital als Wärter arbeiten?« fragt er.
»Sehr gerne, wenn es möglich ist«, sage ich überrascht.
Er notiert meinen Namen und verspricht, mich bei der Arbeitseinteilung anzufordern.
Kurz darauf erscheint der Arzt.
»Ausziehen, es gehen immer zwei hinein«, kommandiert lautstark ein junger Beamter.
Vor mir ist Hörmayer an der Reihe.
»Neunzehn Jahre ist er alt, zwanzig Jahre hat er«, der Arzt liest von einem Blatt, dann hebt er den Blick.
»Zaundürr, ein Trumm Glied, umdrehen, bücken, zieh die Arschbacken auseinander, wer hat dich entjungfert, du hast ein Riesenarschloch, da werden unsere Ficker mit den dicksten Schwänzen Freude haben.«
Der nächste. Der Arzt wendet sich zu mir. Er hat sehr laut gesprochen, vor der Tür lacht alles.
Der Junge steht mit rotem Kopf und hängenden Armen neben der Türe.
»Ich möchte für jeden von euch Eierköpfen, den sie da in den kommenden Jahren ficken werden, zehn Schachteln Zigaretten.
Ich glaube, da hätte ich sehr lange zu rauchen«, sage ich auf dem Gang.
»Geh, schau wira auf sei Mädl aufpaßt, daß net beleidicht wird«, frotzelt einer. Er grinst mich hämisch an.
Als erstes habe ich mir für zwei Pakete Tabak vom Kellerhausarbeiter ein Messer gekauft. Bedingung war: spitz und scharf geschliffen. Dieses Messer habe ich nun plötzlich in der Hand und der an der Wand hat es gegen den Kehlkopf. Er ist bleich.
»Du Scheißfigur; schau dir die Leute an, die du häkeln kannst, oder ist etwas?« frage ich und drücke etwas stärker gegen die Kehle.
»Na, na, des woar jo net so gmant«, stottert er und macht den Hals dünn unter dem Messer.
»Überlegst dir das in Zukunft«, sage ich und stecke das Messer offen in den Ärmel meiner Jacke. Ich habe ein Stück des Saumes vom Hemdärmel aufgetrennt, dort liegt das Messer, ohne zu rutschen, und ich kann es blitzschnell in der Hand haben.
Nachdem Essen eine Stunde Spaziergang im Westhof. Den Rest des Tages liegen wir auf den Betten, reden, rauchen, lesen. Tags darauf Arbeitseinteilung.
»Strammstehen, Hände an die Hosennaht, zuerst die Nummer sagen, dann erst den Namen«, schnauzt der Vorführbeamte gegen unsere Reihe. Der Raum ist überheizt. Der riesige Schreibtisch, dahinter ein Major, daneben ein Wachinspektor. Der Offizier blättert im Vollzugsakt.
»Nummer 12.547 N. N.«, melde ich und stehe gerade, wie ein Normalgewachsener eben steht. Der Goldene und der Silberne betrachten mich aufmerksam.
»Also ins Spital kann ich Sie nicht geben, der ungünstige Bericht von Graz, nein, das geht auf keinen Fall, aber was wolln’s denn sonst machen«, näselt der Offizier.
»Kann ich Hausarbeiter werden?« frage ich.
Der Offizier blickt zum Beamten auf, dieser nickt.
»Na ja, meinetwegen, und führen Sie sich ordentlich, hams verstandn«, sagt der Goldfasan. Auch das erledigt.
Vom Keller werde ich auf Ost 2 verlegt. Zelle eins. Sechs Mann außer mir. Kurt, zehn Jahre, Raub. Poldl, zwölf Jahre, Notzucht. Franz, sechs Jahre, Notzucht an einem Kind. Josef, acht Jahre, Totschlag. Fritz, fünf Jahre, Betrug. Und Johann, drei Jahre, ebenfalls ein Kinderschänder. Franz und Johann sind Fremdkörper. Man redet nur das absolut Notwendige mit ihnen. Die üblichen Fragen. Einige erkundigen sich, wie es in der Karlau ist, dann verebbt das Interesse. Man spielt Karten, spricht über Tagesereignisse im Gefängnis . Die sechs arbeiten in verschiedenen Betrieben, manche, wie Kurt, der sieben Jahre im Haus ist, sind schon lange in Haft.
Ich räume meine Sachen, Tabak usw. in das Wandkästchen, hänge meine Tafel darüber an den Haken. Das ist Vorschrift. Auf der Tafel stehen Nummer, Name, Delikt, der Termin für die bedingte
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