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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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späten Nachmittag ihr vorgeschriebenes Pensum auf einem breiten Pult beim Auf Sichtsbeamten abgeben. Kommen mehr als drei Gefangene gleichzeitig, verliert dieser die Übersicht. Das ist doch eine Möglichkeit. Im Vorbeigehen nehme ich einen Stoß fertige Säcke mit, den er schon notiert hat. Ich drehe langsam einen Kreis und stelle mich in der Reihe vor ihm an, dann gebe ich das Pensum ab.
    Es klappt meistens. Öfters kann ich auch zwei oder drei Pensen stehlen, selten keines.
    Abends ist es kalt auf der Zelle. Ab vier Uhr wird nicht mehr geheizt.
    Ich will weg aus dieser Anstalt – ich schneide mir vorsichtig die Pulsadern auf. Nicht allzu tief, nur, daß eindrucksvoll Blut zu sehen ist. Es ist Nacht, man bringt mich ins Anstaltsspital. Der Arzt stellt Fragen und heftet die Haut zusammen. Ein paar Tage danach fängt man einen Kassiber von mir ab, in dem ich dem Direktor verspreche, daß ich ihm bei nächster Gelegenheit die Ohren abschneiden werde.
    Ich bekomme sieben Tage Einzelhaft und werde nach Stein, einer Strafanstalt in der Wachau – Österreichs größtem und berüchtigtstem Gefängnis –, überstellt.
    Sonnenwarme Südhänge der Weinberge – alte Städte – Krems und Stein – eine Bilderbuchlandschaft, die Wachau – grünbraune Windungen der ›ewigblauen‹ Donau – malerische ›Umgebung‹ der düsteren Strafanstalt.
    Ein Viertelquadratkilometer, von drei Seiten umschlossen von sechs Meter hohen Mauern, die vierte, gegen Süden, der Donau, der Straße, den Besuchern und Passanten zu, dreieinhalb Meter hoch. Das eigentliche Zuchthaus liegt tief innerhalb der hohen Mauern, ebenfalls sternförmig angelegt. Der Nord-, Ost- und Westflügel bilden das Zellenhaus. Gegen Süden liegt der Grat oder Gemeinschaftstrakt, die Verwaltung, die Direktion, Küche, Bad, Justizwachkommando, Kinosaal, Heizhaus, Kapelle, Bibliothek und einige Arbeitsbetriebe, wie Schneiderei, Buchbinderei und der zweite Kunstgewerbebetrieb, dann noch die nahe dem Eingang liegenden Räume für die Bereitschaftswache, die Beamtenkantine und, wohlgesichert, das Besuchszimmer für die Gefangenen. Als ich ankomme, ist Februar. Ein scharfer Wind treibt nadelspitze, winzige Schneeflocken gegen die Haut. Die wuchtige Gebäudefront liegt in fahlem Zwielicht. Im Gänsemarsch treiben uns Beamte durch die Hauptsperre, einer mächtigen Kombination aus Gittern und Stahltüren. Ein langer Gang dehnt sich dahinter. Links ist eine Tür geöffnet.
    »Da hinein, los, los!« brüllt einer der Uniformierten.
    Es ist der Vorraum zum Bad. Holztreppen am Boden, Bänke entlang der Wände; Leisten mit Metallhaken darüber. Durch eine offene Tür sieht man rechts den Duschraum. Beruhigend zu wissen, daß die Abflußöffnungen hier nicht nur Attrappen sind. An einem Tisch an der Stirnseite des Raumes sitzt ein alter Beamter mit einer Menge Silber am Revers. Neben ihm stehen zwei jüngere, weniger beängstigend berangt.
    »Wer aufgerufen wird, tritt vor und beantwortet deutlich und laut die Fragen, welche ihm der Herr Gruppeninspektor stellt«, sagt der linke Beistand.
    »Hörmayer, Johann«, brüllt der Alte.
    »Hier«, ein schmaler, blasser Gefangener schiebt sich vor die anderen.
    »Geboren am und wo?«
    »Vierzehnter März 1946 in Wien«, sagt der Gefangene mit dünner, schwankender Stimme.
    »Lauta, wüfü Strofzeit«, dröhnt der Sitzende und fixiert den Gefangenen lauernd.
    »Zwanzig Jahre schwerer, verschärfter Kerker«, sagt der Junge. Er senkt den Kopf. Das wirre Haar klebt streifig an den Schläfen. Im Raum ist es heiß und stickig, es riecht nach Schweißfüßen.
    »Woche Delikte?« sagt der Gruppeninspektor.
    »Paragraph …«, setzt der Junge an.
    »Nix Paragrafn, wia haßt des so«, unterbricht ihn der andere scharf.
    »Mord«, sagt Hörmayer leise.
    »Und das Aundare, do is jo no wos«, brüllt der Beamte. Die Adern schwellen an seinem Uniformkragen.
    »Was noch, ich weiß nichts«, stammelt Hörmayer.
    »Nau, waun Se des net wissn, daun wir i Ihna des sogn, do steht Mord und Homosexualität, hobns Ihn vielleicht scheniert, des zum sogn, Sie hom Ihna jo a beim Tuan net scheniert«, schreit er den Jungen an.
    »Da nexte haßt«, er wendet sich aber dem rechts von ihm Stehenden zu und sagt halblaut, »olleweu des söbe mit de Woamen.«
    »Hirsch, Franz«, die Befragung dauert etwa eine Stunde.
    »Desertion homs a dabei«, hat er mich angebrüllt.
    »Na sowieso, wer dapockt’n des Scheißbundesheer«, habe ich zurückgebrüllt.
    »Schreins net a

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