Der Minus-Mann
Wenn es zu Aggressionsausbrüchen kommt, gibt es Absonderung, Prügel, Beruhigungszelle, Gitterbett und Zwangsjacke. »Nervöse Störungen … papperlapapp … wir sind kein Kindergarten … sei ein Mann, reiß dich zusammen«, sagt der Arzt und wendet sich zum nächsten, »Magenschmerzen haben Sie … zwölf Tage Teepause (nur Tee und Zwieback), wenn es dann nicht aufhört, Rauchverbot«, sagt er zu dem. Ich gehe … wenn ich nicht schlafen kann, und nur das Bedürfnis, jedem Beamten an die Kehle springen zu müssen, bleibt, werde ich mich eben zusammenreißen …
Hausarbeiterwechsel, Ost Ebenerdig, Zelle 1.
»Bei mia brauchst goar net mit an Druckposten rechna, weil sunst tritt i di in Oarsch«, sagt der Stockchef zur Begrüßung. Abendessen, Bohnengulasch. Beim Einschluß bringe ich einige volle Töpfe als Nachschlag mit. Ich spüre sofort eine seltsame Spannung in der Zelle- Mozzl, ein in der Unterweltbekannter Totschläger, winkt mich zu seinem Tisch. Dort sitzt noch einer.
»Servaas, mir kennan uns eh, des do is da Horstl und auf de aundan do drübn«, er deutet auf die fünf anderen Gefangenen beim Tisch neben der Türe, »wird gschissn. Des san lauta Rozzn«, sagt Mozzl.
»Pass auf Mozzl, glei von Aunfang an. I bin do am Stock Fazi. Fia mi is jeda gleich. Mochst da deine Privatwickln aus, mit wem’s d’ wüllst, mi interessiert des net«, sage ich und stelle zwei volle Schalen auf den Tisch der ›Rozzn‹.
Der Bulle verzieht das Gesicht, aber er braucht mich. Er muß akzeptieren … und ich weiß das … na net waß i des.
Mozzl versucht mir die Hintergründe der Auseinandersetzung zu erklären, doch ich höre nicht zu. Ich lege mich auf das Bett und lese. Es wird kaum gesprochen, die Aggression ist zum Pflücken reif.
Nach dem Lichtabdrehen flüstert mir Janos, der Zigeuner, er hat zwanzig Jahre für Mord, zu: »I bring eahm um.« Er liegt im Bett neben mir und zeigt mir ein Messer. Er hat es unter seinem Kopfpolster liegen. Die Klinge ist breit und lang.
»Gute Nacht«, sage ich, dann schlafe ich ein.
Tags darauf. Die rechte Seite der Abteilung ist zur Gänze von einem Arbeitsbetrieb belegt. Hier heißt es hochtrabend ›Kartonage‹, gemeint ist Tütenkleben (Sacklpickn). Die Gefangenen gehen nach dem Frühstück von den Schlafzellen links über den Gang, in die Arbeitszellen. Weil nichts zu tun ist, sperrt mich der Stockchef in eine Arbeitszelle.
»Nicht zum Glaubn wos fia a scheenes Herz so a Rozz hot«, sagt Vickerl zu mir. Vickerl ist zivilberuflich Zuhälter und Totschläger. Er klebt keine Tüten. Er bekommt beim Besuch regelmäßig Geld. Er läßt andere für sich arbeiten. Er ist leidenschaftlicher Anatom. Vom Keller hat er eine Ratte bekommen. Mit vier Nägeln hat er sie am Fußboden angeheftet, lebend, dann hat er begonnen, sie aufzuschneiden, die Ratte ist inzwischen verschieden, Vickerl ist bereits bei den Innereien. Peter steht am Fenster. Er kann so etwas nicht sehen. Peter ist sensibel. Er hat elf Jahre wegen Doppeltotschlags. Vickerl setzt fort mit der Sezierung.
»Waun i hamkumm und mei Oide weist net genug Koin auf, moch is mit ihr genaua so«, sagt er.
Ich blättere in einem pornografischen Journal. Mein Schwanz steift sich. Ich vergesse die Ratte. »Ich schleich mi amoi kuarz hintan Vurhaung, i muaß mein bestn Freund durchschüttln«, sage ich und gehe zum Klosettvorhang.
»Moment, mein Freund, wo willst du hin so rasch«, Vickerl bedient sich des Theaterdeutschen, »wichsen, onanieren … das brauchst bei uns net söba mochn. Willi, mei Scheißerl«, er wendet sich zu einem jungen Gefangenen, der mit gesenktem Kopf am Tisch zwischen den Fenstern arbeitet, »schau her, du Scheißkreatur, waun i mit dir red«, der Junge wendet den Kopf zu uns. Er hat ein symphatisches, offenes Gesicht, mit großen Augen und einem weichen Mund. Vickerl dämpft seine Stimme. Böse lächelnd sagt er zu dem Jungen, »das da ist mein Freund, und weil er mein Freund ist und du mir gehörst, wirst du jetzt aufstehen und ihm einen blasen, aber mit allen Schikanen, hörst du, mein Kleiner … und wenn er nicht zufrieden ist, dann frißt den sezierten Rozzn, und mit de Darm faungst aun, kloar«, brüllt er zum Schluß.
Der Junge nickt. »Ja, Vickerl«, sagt er.
Ich blättere langsam das Heft durch, der Junge saugt. Gut, aber nicht Monika. Dann spritze ich tief in seinen Mund. Er schluckt. Vickerl sieht aufmerksam zu.
»Schön sauberlecken«, sagt er zu dem Jungen, und, »warst du zufrieden
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