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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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besichtigte das Hemd und befahl mir dieses anzuziehen. Das Hemd zerriß an sechs Stellen. Sowohl der Abteilungsleiter, Herr JWOK N. als auch der Herr Major behaupten nun, ich hätte das Hemd vorsätzlich beschädigt und müsse dafür bestraft werden. Ich ersuche nun
    1. um Sicherstellung des inkriminierten Gegenstandes aus der Wäscherei,
    2. um Aufhebung der zu Unrecht über mich verhängten Hausarreststrafe von 4 (vier) Fasttagen
     
    Hochachtungsvoll
    N. N.
    Strafgefangener
     
    Tags darauf begrüßt mich der Faltige strahlend zum zweiten Fasttag. Auch den dritten und vierten Tag bei vierhundert Gramm Brot verbringe ich im Keller. Nach einer Woche holt man mich am Nachmittag.
     
    »Chefrapport«, sagt der Beamte. Ehrfurcht klingt in der Stimme. Ich stehe am Gang neben dem Kommando und warte. Nach einer halben Stunde werde ich durch die gepolsterte Türe geführt.
    Zehn Schritte, ein riesiger Schreibtisch, dahinter ein Männchen, ein Stimmchen, Eierkopf, dünne Haare, goldgefaßtes Brillchen, ein Miniaturmensch. Kalte Augen, rosiges Gesichtchen, der Gottöberste ist ein Zwerg, jetzt versteh’ ich, warum unlängst ein Gefangener in die Zellenecke sah und sagte:
    »Hearst, schau, durt kriacht wos«, und der andere gab zur Antwort: »Des wiard unsa Direkta sei, paß auf, daß’d net draufsteigst.«
    Ein Wachinspektor lehnt hinter dem Thronsessel, mustert mich böse. »Sie beschweren sich also über eine Hausstrafe«, tönt das Stimmchen.
    »Ja«, sage ich.
    »Ich habe mich über den Vorfall genau unterrichten lassen. Die Strafe wurde zu Recht verhängt«, sagt das Stimmchen.
    »Herr Regierungsrat, haben Sie das Hemd gesehen«, sage ich. Ein schlanker Gummibaum spreizt sattgrüne Blattlanzen gegen das Fenster.
    »Das Hemd? Sie haben uns nichts als Schwierigkeiten gemacht, wenn ich auf Ihrer Rapportkarte so lese«, säuselt das Stimmchen.
    »Sie sollen aber nicht lesen, Herr Direktor, sondern sich das Hemd ansehen, dann würden Sie verstehen, warum ich hier bin, weil hier ein oberfaules Ding gedreht worden ist«, sage ich ihn unterbrechend. Das Männchen ist starr. Es äugt betroffen zu dem Großohrigen hinter sich.
    »Werden Sie nicht frech«, brüllt mich der an.
    »Machen Sie den Chefrapport?« frage ich weich.
    »Also, wenn das Hemd unbedingt notwendig ist, lassen Sie es holen«, sagt das Stimmchen energisch zu dem rotangelaufenen Wachinspektor. Dieser geht.
    Der Beamte hinter mir zieht mich an der Jacke aus dem Raum.
    »Wir müssen draußen warten«, flüstert er.
    Ihr Arschgesichter, den ganzen Tag dröhnt eure Schnauze durch die Gänge, und bei diesem Minimenschen steht ihr bis zu den Knien im eigenen Dreck.
    Ich warte auf dem Gang. Zeit vergeht. Uniformierte aus der Verwaltung eilen vorbei, dämpfen vor der Polstertür die Stimme.
    Der Wäschereibeamte und der Wachinspektor verschwinden hinter der Polstertüre, dann flammt neben dem Eingang das Leuchtschild auf, ›eintreten‹.
    »Das Hemd ist nicht auffindbar«, näselt das Stimmchen.
    »Das habe ich mir gedacht«, sage ich.
    »Was Sie denken, darauf ist hier niemand neugierig«, schnauzt mich der Stehende an.
    »Der Wäschereibeamte hat mir versichert, daß die Beschädigung in einem Ausmaß geschehen ist, die es wahrscheinlich macht …«, genußvoll wälzt sich das Stimmchen über die Worte, »… daß die Beschädigung vorsätzlich geschehen ist, die Strafe wurde daher zu Recht verhängt … a.b.f.ü.h.r.e.n!!!«, kreischt das Stimmchen im Diskant. Der Wäschereibeamte und mein Eskortemensch treten sich beinahe über den Haufen, aber ich bin noch nicht fertig.
    »Ich möchte einen Bogen für eine Beschwerde an den Hauskommissär«, sage ich zu dem Zwerg. Der ist jetzt ernstlich böse.
    »Hinaus, hinaus mit ihm«, das Stimmchen piepst im Falsett. Ich gehe.
    Auf der Zelle schreibe ich einen Bittrapportzettel um einen Bogen DIN A4, zwecks Beschwerde, mit Kuvert.
    Dann schicke ich den Bogen, beschrieben, im verklebten Kuvert, an den Hauskommissär. Der ist hauptberuflich Staatsanwalt am Kreisgericht in Krems.
    »Diese Beschwerde, die Sie da geschrieben haben, ist eine Bagatellsache«, sagt der händereibend und eilig.
    »Für mich ist vier Tage nichts essen absolut keine Bagatellsache«, sage ich. Er reibt weiter die Hände, dann flüstert er mit dem Major, der mir die Strafe gegeben hat.
    »Sie können gehen. Sie erhalten schriftlich Bescheid«, sagt er. Vorführung zum Major. Ich krame in meiner Erinnerung, ob ich eine Scheiße gebaut habe – nichts, ich

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