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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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hat.
    »Eine Zigarette auf jeder Brustwarze ausgedrückt und drei auf der Stirn«, sagt er und drückt langsam genußvoll seine Gedrehte am Bettrand aus.
    »Achtzehn Monate hab ich dafür bekommen, aber die waren es mir wert«, setzt er hinzu. Ich schüttle den Kopf, ganz verstehe ich diese Rechnung nicht.
    »Kohlenschaufeln, die drei da«, sagt der Betriebschef, als zerbeiße er Glassplitter. Ich gehöre natürlich dazu. Das Kreuz schmerzt und der Mund vom Fluchen. Die Hände, die Arme. Der Beamte steht daneben, treibt an. Ich sehe unten Bernd vorbeigehen, er winkt zu mir. Er geht in den Raum, wo die Strohsäcke gestopft werden. Er läßt sich einen blasen, der dort beschäftigte Gefangene ist Spezialist. Er übt diese Tätigkeit hauptberuflich in Freiheit aus, als etwas ältlicher Strichjunge.
    »Auf’d Nocht kemma uns die Ferschn mit de Haundflechn doppeln«, stöhnt Vickerl neben mir.
    »Waun meine Baana draussn net aunzahn, schick is zum Bauan und ins Beagwerk, zum Ausmisten und Koingrom«, knirscht er etwas später. Altpapier auf Ballen von hundert Kilo gepreßt, wird am Tag darauf verladen. Vickerl und ich sind selbstverständlich dabei. Er schleppt mit verbissenem Gesicht.
    »Wos is mit ana Saundaratiaun – dea Sterzprigl steht do und schaut teppat, bei eichan Fressn san ma di Zend ausg’foin, de Hoar und jetzt werm ma de Jad ofoin … schau da’sd wos zum Fressn bringst, sunst kummst ins Heim.«
    Vickerl läßt seinen sechzehnten Ballen von der Schulter rollen und redet zu dem jungen Beamten hin, der neben der Tür steht und sich den Mantelkragen zum Schutz vor dem schneidenden Wind hochgestellt hat. Der Grüne zieht es vor, sich taub zu stellen.
    »Steh und die Hand im Sock hom, und stinkfeu sei, des anzige, wos de Kas kenna, am liabstn lossatn’sa si no scheißn trogn … do soin mia oarbeitn lerna … i scheiß auf eich Vegln«, hetzt Vickerl weiter. Andere lachen. Der Beamte geht. Er beschwert sich beim Chef. Der schickt eine halbe Stunde später den Schreiber mit vier Stück Wurst. Fingerdick und eine Spanne lang. Vickerl murrt unzufrieden. Gerti bringt mir Semmeln. Er hat sie in der Bäckerei geklaut. Von frischer Luft war bis dato bei dieser Beschäftigung nur wenig zu merken … außer das Antreten zum Zählen …. bis die Ohren in der Kälte singen, mit blauroten Händen …
    Abendessen – stinkende Kohlrüben.
    »Los, gemma, hoits eich des Essn«, schreit der Beamte von der Türe. »Dieser Dreck ist nicht zu essen, riechen Sie das nicht«, sage ich. Ein Silberspiegel kommt von der Nebenzelle.
    »Nehmans de Schoin und schauns, daß vaschwindn, hetzn’s de Leit net auf«, brüllt er.
    Achtung, Junge. Ein Gefangener darf immer nur für sich sprechen, sonst ist es Aufwiegelung zur Meuterei … da gibt es verdammt harte Zusatzstrafen – also vorsichtig.
    »Ich spreche für mich. Dieses Nachtmahl ist ungenießbar. Zufällig sind die anderen auf der Zelle meiner Meinung, dafür kann ich nichts«, sage ich sanft. Wenn sie brüllen, schreien, toben – leise sein, höflich – dagegen wissen sie keinen Rat – dieser auch nicht. »Na jo, mia wem des hoit mödn«, sagt er puterrot und wirft die Türe zu. Der Abend schleicht. Gerti liest mir vor – ein eingeschmuggeltes Buch – ›mich wundert, daß ich so fröhlich bin‹.
    »Sie bleiben auf der Zelle«, sagt der Beamte am anderen Morgen. Er gibt keine Erklärung dazu. Ich begreife. Packe meinen Binkel. Gerti weint. Ich gebe ihm eine Ohrfeige. Dann marschieren sie ab. Ich gehe in der ruhigen Zelle auf und ab.
    »Ich will Sie nicht wegen einer Anstiftung zur Aufwiegelung bestrafen«, sagt der Major, »nachdem Sie sich einsichtsvoll gezeigt haben … das letzte Mal«, er zögert. Ich hatte meine Beschwerde wegen des Hemdes einfach nicht mehr verfolgt … einen schriftlichen Bescheid hatte ich nie bekommen.
    »Nun, ich verurteile Sie zu sieben Tagen Einzelhaft«, sagt er dann.
    Damit diese Mißgeburt einen Namen hat … damit ich bestraft werde … damit der Macht Genüge getan ist, dem Recht …
    Ich stehe am Gitter. Sieben Tage … ein bißchen warten, gehen … dann ist es vorüber.
    Ost 2 Zelle 9 Bürstenbinderei. Neue Gesichter, neue Geschichten. Georg erzählt, wie er seine Frau vom dritten Kind entbunden hat, ein kurzer Druck, ein Paket in Nylonpapier in einer Praterallee weggeworfen … jemand hat ihn beobachtet … fünf Jahre, seine Frau hat eines … die Kinder … er weiß nicht, wo sie sind.
    »Was hätte ich denn tun sollen … die

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