Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
Vom Netzwerk:
habe zwei, darf ich bleiben?« sagt sie. Ihre Haut ist wie Porzellan, durchscheinend und kostbar. »Du liebst mich. Du liebst mich. Du wirst mich nie wegschicken, immer festhalten, fest.« Sie spricht in meine Wange. Wild waren wir ineinander, Hände sind da, streicheln. Die Nacht ist ein schwarzer Block, hinter Wänden, hinter Scheiben. Cha-cha verdient regelmäßig Tausend am Tag. Ich teile meine Zeit auf die beiden Frauen. Georg möchte mich zu einem Einbruch überreden. Ich sage nein, bin faul, liege mit Cha-cha im Bad, am Neusiedlersee. Das Schilf scheuert leise an unserem Boot, strichelt Schatten in das Segel. Gedämpft schnattert, zirpt und summt es aus dem dichten Röhricht. Die Zeit fließt schwerelos, hartes Licht spiegelt auf Gläsern. Wir haben keine Eile. Worte plätschern, nur um des Sagens, nie um des Gesagten.
    Der Wein legt Daunen zwischen das Jetzt und das Später.
    Dann zerbricht die Schwerelosigkeit. Zu Hause Streit.
    »Trenn dich von dieser Hure«, sagt meine, die fremde Frau. Sie ist aufgedunsen und häßlich und voll Haß auf das weiße Mädchen mit den rötlichen Haaren.
    »Halt die Schnauze«, sage ich. Sie redet und schreit und sprüht, steigert das Geplärr bis zur Hysterie. Ich schlage sie auf den Mund, auf den Kopf. Sie liegt am Boden. Ich schaue aus dem Fenster. »Du Schwein, du mieses, dreckiges Schwein«, sagt sie, »ich bring dich um.«
    Sie hat den Revolver in der Hand, hat ihn aus der Jacke genommen. Mit beiden Händen umklammert sie den Kolben. Beide Zeigefinger am Abzug. Vier Schritte zwischen uns. Die Mündung zeigt gegen meine Brust. Zittert auf- und abwärts. Blut rinnt langsam über ihr Kinn, tropft auf ihre Brust. Meine Hände krampfen in das Fensterbrett. Die Sonne brennt gegen meinen Hals. Eine Fliege sitzt in meiner Armbeuge. Der Schweiß rinnt mir über den Rücken. Sie steht neben dem Schrank. Die Waffe zeigt auf mich. Sind Minuten vergangen oder Sekunden? Der Revolver ist geladen. Man würde sie nicht einmal bestrafen, wozu auch?
    »Ich kann es nicht«, sagt sie abgehackt. Im nächsten Augenblick drehe ich ihr die Waffe aus den Händen.
    Mit weichen Knien sitze ich im Wohnzimmer. Ein Schwein, klar bin ich ein Schwein. Mit weißem Rum spüle ich die Übelkeit weg. Die Frau schreit auf mich ein. In blinder Wut schlage ich ihr die Faust ins Gesicht.
    »Hilfe, Polizei!« schreit sie. Ich nehme meine Jacke, dann gehe ich.
    »Ich war mit meinen Eltern auf der Polizei. Ich habe dich angezeigt«, sagt sie mir eine Stunde später am Telefon.
    »Gut, ich rufe dich morgen an«, sage ich und hänge ein.
    Räder mahlen hinter meiner Stirn. Ich bin betrunken.
     
    Cha-cha bringt Tausendfünfhundert.
    »Kommst du mit mir?« fragt sie. Der Regen trommelt gegen die Scheiben des Cafes. In einer Ecke klebt Fliegenscheiße. Der Kellner hat Plattfüße und schlechte Zähne.
    »Verschwinde, vielleicht komme ich in der Früh«, sage ich.
    Später gehe ich durch die Wollzeile dem Ring zu. Zwei Männer kommen mir entgegen, lachen, grölen. Es ist zwei Uhr. Plötzlich sehe ich eine Funkstreife ohne Licht. Vom Ring her, gegen die Einbahn, eine zweite. Ich biege in die Riemergasse ein. Ein Motor heult hinter mir auf. Der Wagen biegt mit jaulenden Reifen ein. Bin ich gemeint? Ich springe über die Straße, in die Jakobergasse. Ducke mich hinter ein Auto. Plötzlich tauchen Stahlhelmmänner auf. Drei, vier stürzen sich auf mich. Einer springt mir auf die Brust! Ein stechender Schmerz rast durch meine Rippen. Handschellen klicken um meine Hände.
    »Du Hund, wo is da zweite«, brüllt mich ein Zivilist an. Einer tritt gegen meine Kniekehlen. Einer kniet neben mir, schlägt meinen Kopf gegen den Asphalt. Sie sperren mich in eine Zelle. Eine Stunde später Vorführung zum Journaloffizier. »Sie haben einen Komplicen, wo ist er?« schreit er. Ich weiß von nichts.
    Tags darauf überstellt man mich ins Landesgericht.
    »Sie werden beschuldigt, in einem Geschäft in der Wollzeile 37 eingebrochen zu haben. Sie wurden von einem Zeugen beobachtet, der auch die Polizei verständigt hat. Sie bleiben wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft«, sagt der Journalrichter.
     
    Dritte Etage, E-Trakt.
    Im Gefängnisspital wickelt man mir Binden um den Brustkorb.
    »Sind Sie gestürzt?« fragt der Arzt.
    »Nein, ich habe zu tief eingeatmet«, sage ich.
    »Raus mit Ihnen!« brüllt der Arzt. Die Schergen im weißen Mantel. Welche Ausrede die wohl haben? Sie brauchen keine. Es zieht sie niemand zur

Weitere Kostenlose Bücher